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Wenn man etwas nicht kann…

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 15, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 22. Juli 2020)!

Wenn man etwas nicht kann, dann stellt man es sich eben vor

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

anlässlich der bald beginnenden Sommerferien, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um tatsächlich über Ferien bzw. den Urlaub zu sprechen. Sobald man berufstätig ist, ist der Begriff „Ferien“ ja nicht mehr ganz so zutreffend. Ihr Urlaub erinnert Sie vielleicht daran, wie Ferien früher gewesen sind. Aber während sie einfach gesetzt waren und geschenkt, werden Sie heute ziemlich sicher Ihren Urlaub beantragen müssen – wenngleich er sich dann auch anfühlt wie ein Geschenk. Doch ganz gleich wie dieses Geschenk betrachtet wird, ob als Urlaub oder Ferien – wenn ich von mir ausgehe, dann fallen mir persönlich spontan zwei Extreme ein, in die sie sich entwickeln können:

Es gibt die, die in den Ferien Ruhe brauchen, ein Buch oder zwei lesen und sich von der Sonne bräunen lassen ohne körperlich sonderlich aktiv zu werden. Andererseits gibt es auch die Draufmacher. Menschen, die ihre Zeit nutzen, um Partys zu feiern, laut zu sein, oder die Welt zu entdecken. Menschen, die etwas erleben wollen und davon ausgehen, dieses Etwas in der Ferne zu finden.

Erstgenanntes „Extrem“ bietet vielleicht die Möglichkeit Fragen an das Leben zu stellen; Fragen bezüglich der Richtung, die das Leben eingeschlagen hat oder Fragen bezüglich des Ziels, das Sie vor Augen haben. Wenn Sie dann schon im Grübeln sind, werden Sie vielleicht feststellen, wie viel Sie in diesem Jahr schon bewältigt haben und wie schnell das Jahr voranschreitet. Vielleicht wird Ihnen bewusst, wie viele Tage einfach an Ihnen vorbeigezogen sind, ohne dass Sie ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben…

Wer würde das nicht gerne ändern und aus diesem Hamsterrad ausbrechen, das uns Vieles verhindert?! Wir Menschen haben aber eine „unbedingte Anwesenheitspflicht im eigenen Leben“ (Mariana Leky). D.h., wir können von hier nicht einfach raus. Sollen es auch nicht. Dafür können wir unsere Standpunkte ändern; und damit das, „was man von hier aus (alles) sehen kann“ – um es mit dem Titel von Mariana Lekys Roman zu sagen. Sprich: Es liegt an uns, der grauen Masse von Tagen bunte Sprenkel zu verleihen.

Den Drang nach draußen haben wir ja ebenfalls angesprochen. In Jules Vernes „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ gehen der Onkel und der Sohn seines toten Bruders und die liebe Bergführerin ein ungewöhnliches Abenteuer ein, von dem sie anfangs noch gar nicht wissen, dass es zum Mittelpunkt der Erde führt. Interessanterweise braucht es aber genau das. Der Sohn und sein Onkel brauchen die Fremde, um sich selbst und die Art wie sie in Beziehung zueinander treten wollen, zu finden und definieren zu können.

Die Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang unmittelbar stellt, ist die Frage was es mit dem „sich selbst finden“ genau auf sich hat. Man kann sich ja nur dann selbst finden, wenn man zuvor nicht weiß, wer man ist. Ich glaube, dass es in unserer heutigen Gesellschaft ganz oft der Fall ist, dass Menschen sich suchen und finden müssen. Wie oft tragen Sie und ich im Alltag eine Maske? Eine Maske, die nichts mit Corona zu tun hat, sondern mit unserer Persönlichkeit? Und mit der Angst vor Ausgrenzung oder Schmerzen?

Wie erschaffen wir diese Masken, die vor neugierigen Blicken unerwünschter Zuschauer schützen sollen? Durch ein falsches Lächeln? Eine erfundene Geschichte? Durch Worte, die wir absichtlich verdrehen und aneinanderreihen, dass sie eine Mauer bilden? – Im Deutschunterricht habe ich letztes Jahr gelernt, dass Worte Realitäten erschaffen und dem zufolge kam die Frage auf, ob es einen Unterschied gibt zwischen dem Erzählen einer Geschichte, oder dem Erfinden einer Lüge (Die Zeit der Wunder).

Ich verstehe, dass manche Wahrheiten vielleicht versteckt bleiben, weil sie am Arbeitsplatz nicht relevant sein sollten; weil man vielleicht nicht alles herausposaunen möchte, was einen eben gerade belastet. Mittlerweile sind wir allerdings an einem Punkt angelangt, wo Menschlichkeit einer Schwäche gleichzukommen scheint. Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft, die darauf pocht, immer mehr mit immer weniger zu erreichen.

Dabei hat gerade wer christlich geprägt ist, eine Wurzel, die eine*n daran erinnert, dass es so nicht sein muss: Die Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis (Kapitel 1 bis 2,4a). Diese möchte uns dazu anhalten, Pause zu machen, zu rasten und zu staunen. Denn Gott selbst ruht am siebten Tag. D.h., wenn schon der allmächtige Schöpfer eine Pause macht, dann wird klar: Es liegt nicht in unserer Natur (und es soll auch nicht) ständig zu arbeiten. Vertrauen wir also darauf, dass unser Urlaub dazu beiträgt, unser Gefühl für uns selbst wiederzuentdecken.

Das Beruhigende ist: Ich muss dafür gar nicht mal weit weg, oder groß etwas tun, um mich so (von Gott) beschenkt zu fühlen. Manchmal reicht schon ein bisschen Vorstellungskraft. In diesem Sinn: Schöne Ferien und einen erholsamen Urlaub!

Doris Krol,

für die Kurseelsorge Bad Wurzach