Wen „der“ heilige Geist besiegelt
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 16, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 17. Juli 2024)!
Wen „der“ heilige Geist besiegelt
…die oder der wird gefirmt. Dieses Jahr wollen das 80 junge Menschen aus der Seelsorgeeinheit Bad Wurzach: sich besiegeln, also firmen lassen. Am 20. Juli ist es so weit. Deshalb sind die folgenden Gedanken „DEM“ gewindet, der bzw. die sich hinter diesem besonderen Fest verbirgt.
Kurz gesagt, liebe Leserin, lieber Leser: Die Firmung gilt als das Sakrament des Geistempfangs. – Sakrament heißt: Es gibt eine sichtbare Handlung, die eine unsichtbare Wirklichkeit vergegenwärtigt und an ihr Anteil gibt. Die Wirklichkeit Gottes.
2024 ist Offizial Thomas Weißhaar aus Rottenburg dieser „sichtbar“ Handelnde. Verteilt auf zwei Gottesdienste legt er den Jugendlichen die Hände auf, zeichnet mit Chrisam Kreuze auf ihre Stirnen, spricht sie mit Namen an, verbunden mit der Zusage: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ – „Amen“, auf deutsch „So sei es“ erhält er jeweils zur Antwort; und sieht Patinnen/Paten – als Zeichen – hinter ihren jungen Menschen stehen.
Die ursprüngliche Bedeutung von Sakrament als „Geheimnis“ oder „Weihe“ trifft ziemlich gut, was hier geschieht: Gottes Wirken durch und in der Heiligen-Geist-Kraft. Eigenschaften wie „heilig“, „unverletztlich“ und „verborgen“ schwingen dabei mit – besonders in der Firmung. Zumindest habe ich jedesmal dieses Empfinden, wenn sich Zelebrant und Jugendliche begegnen.
Wichtig ist, jede dieser Begegnungen hat einen Angelpunkt: Eine Gemeinschaft, die sich zu Christus bekennt – dem Gesalbten (mit Salböl/Chrisam). Die Gemeinschaft wiederum will in dessen Geist leben, seinen Ruf hören und ihm nachfolgen. Ihre Mitglieder haben den Auftrag, wie Salböl den Wohlgeruch von Christus zu verbreiten: Das Evangelium.
Den Anfang macht dabei die Taufe, also die Aufnahme in die Gemeinschaft. Seine Fortführung findet all das – katholisch gesehen – in der Firmung. In ihr sollen Menschen darin bestärkt werden, so zu werden wie Christus. Ist das der Fall, dann sind sie auch bereit, ihn zu empfangen. Nämlich in der Ersten Kommunion.
So sollte es sein. Hätte Anfang des 20. Jahrhunderts Papst Pius X. nicht seinen Willen durchgesetzt und die Erstkommunion vorverlegt. Der Grund: Kinder sollten sie vom Alter her früher empfangen. Das Ergebnis: Aus der Firmung, die vollends dazu befähigen sollte, an der Eucharistie teilzunehmen, wurde ein Sakrament, das seine Bedeutung sucht. – Doch es gilt weiterhin: In der Taufe wird die christliche Existenz grundgelegt. Mit der Firmung soll sie sich entfalten.
Darüberhinaus heißt Firmung „Bewährung“. Denn die Bereitschaft aus Gottes Geist zu leben, „funktioniert“ nicht einfach so. Sie muss sich im Lauf eines Lebens bewähren. Bewährungshelfer ist der, oder besser die Heilige Geist. „Die“, weil das hebräische Rûaḥ (= Atem oder Geist Gottes) weiblich ist.
Die spannende Frage ist: Wer ist SIE? – Die Antwort lautet: Jahwes* Geistkraft (hebr. für *ich-bin-der-ich-bin-da). Die Rûaḥ ist eine Kraft, die von ihm ausgeht; ohne dass vorher festgelegt ist, was sie bewirkt. Eins jedoch ist sie: Sehr dynamisch. So sehr, dass sie psychisch wie physisch alles Geschaffene erfasst. Oder, wie es in Genesis 2,7 heißt: „Da formte Gott den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem.“
Folglich ist Gottes Rûaḥ die Macht, der sich alles Leben verdankt. Sie ist die Kraft, von der unsere Existenz abhängt. Doch v.a. ist sie ein Geschenk – eine „aus Wohlwollen gespendete Gabe“ (gr. Charisma), von Gott an uns; aber nicht gedacht als Selbstzweck für ihre Empfänger*innen. Sondern, sagt Paulus: Wer sich zu Christus bekennt, dem/der wird die Gabe „des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“. (vgl. 1 Kor 12,7)
Es geht also darum, einander weiterzugeben, was jede/jeder selbst empfangen hat: Die Gaben des Heiligen Geistes, so wie sie im Bild der Taube benannt sind. Jesu ganze Existenz stand unter dieser Haltung. Und das Spannende ist, um es mit Römer 8 zu sagen: Jede/Jeder, der sich von ihm leiten lässt, ist ein Kind Gottes. „Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi“. Geistbegabung ist demnach nichts, was einmalig an Jesus geschah, sondern vielmehr ein grundlegendes Erbe für alle Menschen christlichen Glaubens.
Die Frage an jede/jeden von uns lautet deshalb: Will ich das, eine Person sein, die sich zu Christus bekennt? Sein Erbe mit annehmen und mich besiegeln lassen, von der Heiligen-Geist-Kraft? Mich von IHR in Dienst nehmen lassen und dort hingehen, wohin SIE mich treibt? Eine Herausgerufene, ein Herausgerufener werden/sein (wie es das gr.-lat. „Ekklesia“ bedeutet) und damit Teil einer christlichen Gemeinde?
Die Antwort auf diese Fragen will gut überlegt sein. Die Einladung sie zu Bejahen – sowie die darinliegenden Herausforderungen anzunehmen – steht: Ein Leben lang und besonders an der Firmung.
Raimund Miller, Kurseelsorge