Sonntag, Mai 12, 2024
Artikel

Wen “der” heilige Geist besiegelt

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 11, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 26. Mai 2021)!

Wen “der” heilige Geist besiegelt

…die oder der wird gefirmt. Dieses Jahr wollen das 100 junge Menschen aus der Seelsorgeeinheit Bad Wurzach: sich besiegeln, also firmen lassen. 22 von ihnen durften das am Pfingstsamstag. Gemäß dem Motto „die Letzten werden die Ersten sein“. D.h. vom Schluss des alten Jahrgangs wurden sie zum Anfang des neuen – und konnten nach über einem Jahr des Wartens endlich ihr Fest begehen. „Ich freue mich, dass Ihr so lange ausgehalten habt und gratuliere Euch auch hier noch einmal ganz herzlich!“ Für alle anderen ist es am 19./20. Juni soweit; mit drei Feiern am Samstag und einer am Sonntag. Deshalb sind die folgenden Gedanken DEM gewindet, der und die sich hinter diesem besonderen Fest verbirgt.

Geist und Empfang

Kurz gesagt: Die Firmung ist das Sakrament des Geistempfangs. Und Sakrament heißt: Es gibt eine sichtbare Handlung, die eine unsichtbare Wirklichkeit vergegenwärtigt und an ihr Anteil gibt. Die Wirklichkeit Gottes.

In 2021 sind – neben den Jugendlichen und deren Patinnen/Paten – Pfarrer Maier und Weihbischof Karrer die sichtbar Handelnden. Verteilt über fünf Gottesdienste legen sie den Jugendlichen die Hände auf, zeichnen mit Chrisam Kreuze auf ihre Stirnen, sprechen sie mit Namen an, verbunden mit der Zusage: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ – „Amen“, auf deutsch „So sei es“ erhalten sie jeweils zur Antwort; und sehen Patinnen/Paten als Zeichen hinter ihren jungen Menschen stehen.

Heilig und geheimnisvoll

Die ursprüngliche Bedeutung von Sakrament als „Geheimnis“ oder „Weihe“ trifft ziemlich gut, was hier geschieht: Gottes Wirken durch und im Geist. Auch Eigenschaften wie „heilig“, „unverletztlich“ und „verborgen“ schwingen mit – besonders in der Firmung. Zumindest habe ich jedesmal dieses Empfinden, wenn sich Zelebrant und Jugendliche begegnen.

Entfaltung und Bewährung

Wichtig ist, jede dieser Begegnungen hat einen Angelpunkt: Eine Gemeinschaft, die sich zu Christus bekennt – dem Gesalbten (mit Salböl/Chrisam). Die Gemeinschaft wiederum will in seinem Geist leben, seinen Ruf hören und ihm nachfolgen. Ihre Mitglieder haben den Auftrag, wie Salböl den Wohlgeruch von Christus zu verbreiten: Das Evangelium. Den Anfang macht dabei die Taufe, also die Aufnahme in die Gemeinschaft. Seine Fortführung findet all das – katholisch gesehen – in der Firmung. In ihr sollen Menschen darin bestärkt werden, genau so zu werden wie Christus.

In der Taufe wird also die christliche Existenz grundgelegt und mit der Firmung soll sie sich entfalten. Darüberhinaus heißt Firmung auch Bewährung. Denn die Bereitschaft aus Gottes Geist zu leben, ist keine einmalige „Sache“, die einfach so funktioniert. Sie muss sich im Leben bewähren. Bewährungshelfer ist der – oder besser gesagt „die“ – Heilige Geist. Denn das hebräische Rûaḥ ist weiblich und steht oft für den Atem oder Geist Gottes.

Dynamische Gabe

Es geht darum, einander weiterzugeben, was jede/jeder selbst empfangen hat: Die Gaben des Heiligen Geistes, so wie sie im Bild der Taube benannt sind.

Die spannende Frage ist: Wer ist Sie, also der heilige Geist? – Jedenfalls (scherzhaft) kein Gespenst, was bei „Geist“ durchaus gedacht werden könnte; ein höheres Prinzip (ernsthaft) auch nicht. Vielmehr geht es um die Geistkraft Jahwes (hebräisch für ich-bin-der-ich-bin-da).

Die Rûaḥ ist eine Kraft, die von ihm ausgeht; ohne dass vorher festgelegt ist, was sie bewirkt. Eins jedoch ist die Rûaḥ: Ausgesprochen dynamisch. So sehr, dass sie psychisch wie physisch alles Geschaffene erfasst. Oder, wie es in Genesis 2,7 heißt: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem.“

Folglich ist Gottes Rûaḥ die Macht, der sich alles Leben verdankt. Sie ist die Kraft, von der unsere Existenz abhängt. Doch v.a. ist sie ein Geschenk – eine „aus Wohlwollen gespendete Gabe“ (griechisch Charisma), von Gott an uns Menschen; aber nicht gedacht als Selbstzweck für ihre Empfänger/innen. Sondern, sagt Paulus: Wer sich zu Christus bekennt, dem/der wird die Gabe „des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“. (vgl. 1 Korinther 12,7)

Gute Frage

Es geht also darum, einander weiterzugeben, was jede/jeder selbst empfangen hat: Die Gaben des Heiligen Geistes, so wie sie im Bild der Taube benannt sind. Jesu ganze Existenz stand unter dieser Haltung. Und das Spannende ist, um es mit Römer 8 zu sagen: Jede/Jeder, der sich von ihm leiten lässt, ist ein Kind Gottes. „Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi“. Geistbegabung ist demnach nichts, was nur einmalig an Jesus geschah, sondern vielmehr ein grundlegendes Erbe für alle, die Christ sein wollen.

Die Frage an jede/jeden von uns lautet deshalb: Will ich das, Christin/Christ sein, eine Person, die sich zu Christus bekennt? Sein Erbe mitannehmen und mich besiegeln lassen, vom Heiligen Geist? Mich von IHR in Dienst nehmen lassen und dort hingehen, wohin SIE mich treibt? Eine Herausgerufene/Herausgerufener werden und sein – wie es das griech.-lat. Ekklesia bedeutet – und damit Teil einer christlichen Gemeinde?

Die Antwort auf diese Fragen will gut überlegt sein. Die Einladung sie zu Bejahen – sowie die darinliegenden Herausforderungen anzunehmen – steht: Ein Leben lang und besonders an der Firmung.

Für- und miteinander

Mein Anliegen lautet deshalb: Seien wir füreinander da und lassen wir uns bestärken, an Festen wie diesen und über sie hinaus. Denn, um es mit den Worten eines neuen geistlichen Liedes auszudrücken: „Keinen Tag soll es geben, da du sagen mußt, niemand ist da, der mir die Hände reicht… mit mir Wege geht… mich mit Kraft erfüllt… mir die Hoffnung stärkt… mich mit Geist beseelt… mir das Leben schenkt. – Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der halte uns’ren Verstand wach und uns’re Hoffnung groß und stärke uns’re Liebe.“ (T/M: U. Seidel / T. Quast)

Raimund Miller

ps: Wer es anhören möchte und vielleicht sogar für sich mitsingen, findet es hier