Dienstag, April 23, 2024
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Sommerweihnachten

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 13, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 23. Juni 2021)!

Sommerweihnachten

Sommerweihnachten? Ja, Sie lesen richtig. Von heute (dem 23. Juni) aus betrachtet, könnten wir morgen „Sommerweihnachten“ feiern. Aber vielleicht erstaunt Sie das gar nicht so sehr. Waren doch die Temperaturen im Mai noch gefühlt denen vom Dezember sehr nahe. Und dennoch – wie geht das, Weihnachten mitten im Sommer? Zunächst einmal ist festzustellen, dass es diesen Brauch gibt. Der Kirchenkalender sieht vor, den 24. Juni als Gedenktag Johannes´ des Täufers zu feiern. Fragt sich nur wieso? Die Antwort auf diese Frage liefert seine Geschichte selbst:

Tief verwurzelt

Johannes (sagt das Lukasevangelium) ist das langersehnte Kind eines in die Jahre gekommenen Ehepaares. Zacharias und Elisabeth. Er ist Priester. Sie stammt aus einem alten Geschlecht, das bis auf Aaron zurückgeht. (Wir merken, die Wurzel von Sommerweihnachten reicht zurück bis in die Geschichte des Volkes Israels.) Und dieses alte Ehepaar erhält vom Engel eines Tages die Nachricht: „Ihr werdet ein Kind bekommen und sollt ihm den Namen ‘Johannes’ geben.“ Kurz danach wird Elisabeth schwanger und sechs Monate später kommt es zu der besonderen Begegnung zwischen ihr und Maria, ihrer Verwandten (die vom selben Engel mitgeteilt bekommt, dass sie auch ein Kind zur Welt bringen wird, nämlich Jesus).

Das Bild „Magie der Gelassenheit“ stammt vom Diplom-Designer und Künstler Bernd Wachtmeister. Danke für die Genehmigung, das Bild hier nutzen und abdrucken zu dürfen. Mehr unter: www.wachtmeister-art.de

Mitten im Sommer – Wende

Mitten im Sommer begegnen sich (und uns) also Johannes und Jesus. Was steckt da dahinter? Ich vermute, die Tatsache, dass sich etwas im Sommer wendet. Der längste Tag wird von hier ab immer kürzer, die Nacht dafür immer länger. Und dann, sechs Monate später, um die Weihnachtszeit, da wendet es sich wieder andersrum, mit der längsten Nacht. Von hier ab nehmen die Stunden der Tage wieder zu. Beide Male also eine Wendezeit und an beiden Malen die Verheißung eines Kindes. Einmal liegt die Aufmerksamkeit auf Johannes, dann auf Jesus.

Namen mit Programm

Jesus heißt im Hebräischen Jehoschua und meint: Der Herr rettet. Johannes ins Hebräische übersetzt (sprich Jehochannan), bedeutet: Der Herr ist/schenkt Gnade. Zwei Namen also mit einem Programm. Die Gnade erreicht uns an einer Wende im Jahr, die Rettung an der anderen. Also immer dort, wo wir das Gefühl haben, es wird anders, es wendet sich, an diesen Punkten stehen die Namen Johannes und Jesus. Das Leben ist gewissermaßen durch Gnade und Rettung verbunden, ein Geschenk des Himmels, winters wie sommers.

Getrost durchs Leben

Und dort, wo mitten im Sommer vielleicht Kaltes, oder Dunkles auf uns zukommt, da begegnet uns Johannes, d. h. Gnade, die uns Mut machen und sagen will: Auch wenn du jetzt evtl. nicht weißt, wie sich dein Leben verändern wird, wenn du befürchtest – „da ziehen dunkle Wolken auf, es wird kalt und kälter, wo ich eigentlich Sommer und Sonne erwarte“ –, da sagt dir dieser Johannes: „Der Herr ist Gnade. Geh getrost mit dieser Gnade deinen Lebensweg.“ Und dort, wo die Nächte am längsten sind und wir befürchten, sie würden immer länger und dunkler, da feiern wir die andere Wende, verbunden mit der Zusage Jesu: „Der Herr rettet! Der Herr rettet dich aus dieser Nacht heraus und schenkt dir einen neuen Morgen.“

So erzählen die Geschichten aus der Bibel auch immer etwas von denen aus dieser Welt und unserem Leben. Wenn es sich wendet vom Licht ins Dunkel, dann sagen sie: „Schau, da ist Gnade!“ und wo vor lauter Dunkel scheinbar kein Licht zu sehen ist: „Schau, dort ist Rettung!“

Raimund Miller, Kurseelsorger