Samstag, April 27, 2024
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Sei stark

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 13, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 22. Juni 2022)!

“Sei stark!”

Liebe Leserin, lieber Leser,

Das Bild „Renovabis“ darf hier genutzt werden und stammt von der Seite www.pfarrbriefservice.de.

am 25. Juni ist es soweit und 96 junge Menschen aus der Seelsorgeeinheit Bad Wurzach lassen sich firmen. D.h. besiegeln, durch „den“ Hl. Geist. Oder besser gesagt durch „die“ Hl. Geistin. Denn das hebräische Rûaḥ ist weiblich und steht für Gottes Geist.

Rûaḥ ist eine Kraft, die von JHWH (= Jahwe, hebr. für „ich-bin-der-ich-bin-da“) ausgeht. Sie ist ausgesprochen dynamisch. So stark, dass sie psychisch wie physisch alles Geschaffene erfasst. Sie ist die Stärke, die uns existieren lässt. V.a. ist sie jedoch ein Geschenk von Gott an uns. Mit dem Ziel, dass wir einander gegenseitig bestärken.

Deshalb freue ich mich, Ihnen – und besonders allen Firmand*innen – diese stärkenden Gedanken von Stephan Krebs an die Hand geben zu dürfen:


„Quäl dich, du Sau!“ Das ruft der Radprofi Udo Bölts 1997 seinem Teamkapitän zu. Der heißt Jan Ullrich und führt gerade das Gesamtklassement der Tour de France an. Aber er schwächelt. Um den Sieg nicht zu verspielen, soll er nun alles aus sich heraus­ holen. Deshalb: „Quäl dich, du Sau!” – Der Satz wurde zum geflügelten Wort, nicht nur im Radsport.

Qual als Erfolgsrezept

Durch Qual zum Erfolg. Das kennt man auch unter besonders frommen Menschen. Manche quälen sich, um Gott möglichst gut zu gefallen. Bekannt dafür sind die Geißler-Züge im Mittelalter – Menschen, die sich mit Peitschen selbst gegeißelt, also blutig geschlagen haben. Sie wollten die Schmerzen des ausgepeitschten Jesus Christus nachempfinden und hofften, dadurch eine Schuld tilgen und Strafen von sich abwenden zu können. Auch der spätere Reformator Martin Luther hat sich auf diese Weise gequält, bevor er auf die rettende Idee kam, dass Gott ganz anders ist. Dennoch findet man unter Christen [und Christinnen] immer noch Reste dieses Grundgedankens: dass Gott es mag, wenn man auf Vieles verzichtet und sich mit viel Arbeit abrackert.

Stark sein

„Quäl dich, du Sau!“ Eigentlich ist das nur die derbe Variante von „Sei stark!“. Das hört man öfter. Auch im Alltag: Damit feuern Freunde jemanden an, dem das Leben über den Kopf wächst. „Sei stark!” Damit muntern mitfühlende Familienmitglieder jemanden auf, der [oder die] einen lieben Menschen verloren hat. Damit beschwören auch Kollegen denjenigen/diejenige, der/die sich von der Arbeit überfordert fühlt. „Sei stark!” Wer das sagt, meint es gut, will helfen, Reserven zu mobilisieren und in der schwierigen Situation gut zu bestehen.

„Sei stark!” Was ist das eigentlich? Ein Befehl? Ein Ausdruck des Mitgefühls? Eine Beschwörung? Vielleicht von allem etwas. Jedenfalls eine Durchhalteparole. Hat sie Kraft? Gibt sie Kraft? Kann man auf Ansage stark sein, wenn man eigentlich angezählt ist? Im Sport geht das. Die Teamkameraden, die Zuschauer, der eigene Ehrgeiz – die holen noch ein Quäntchen mehr aus einem heraus. Das kann zum Sieg reichen.

Vieles, aber nicht alles

Aber im sonstigen Leben? Viele Menschen versuchen das (auf die eben geschilderte Weise). Es gibt dafür verschiedene Methoden. Zum Beispiel hartes Training – wie im Sport. Oder psychologische und spirituelle Programme, mit denen man sich selbst optimieren kann. Damit kann man sicher viel erreichen. Der Wille und die Kraft des Menschen können weit reichen. Manchmal aber auch nicht, beim besten Willen nicht.

Wie weit man auch immer kommen mag: Am Ende stößt man an seine Grenzen. Da begegnet man dem Unverfügbaren. Wie man sein eigenes Leben nicht geschaffen hat, so kann man seine Seele nicht neu erfinden und auch nicht aus seiner Haut heraus. Darauf haben die Selbstoptimierungsprogramme zumeist nur eine Antwort: „Sei noch stärker! Quäl dich noch mehr!”

Freigeliebt

Der christliche Glaube hat darauf eine andere Antwort. Doch zunächst: Auch im christlichen Glauben kann man das Leben sportlich sehen. Der Apostel Paulus vergleicht das Leben mit einem Wettlauf, bei dem man alles geben soll (1 Kor 9,24). Die Sportarten heißen hier allerdings anders, nämlich Respekt, Barmherzigkeit, Nächstenliebe und manche mehr (1 Kor 13,1-13). Aber unterwegs auf der Strecke läuft Gott nicht neben den Sportler*innen her und faucht: „Quäl dich, du Sau!” Oder: „Sei stark!” Stattdessen läuft Gott mit – und liebt.

Viele Menschen tun sich schwer, das zu verstehen. Aber Gott ist sein Anliegen so wichtig, dass er sich dafür selbst gequält hat. In Jesus hat sich Gott der menschlichen Gewalt ausgesetzt, sogar bis zum Tod am Kreuz. Da quält Gott sich selbst, damit die Menschen es nicht mehr tun müssen, nicht sich und auch nicht andere. Ein starkes Zeichen, damit niemand mehr an Gottes Liebe zweifelt. Alle sollen daran glauben und sich hineinfallen lassen können (Röm 6,6-11).

Der christliche Glaube setzt also weniger auf Durchhalteparolen wie „Sei stark!“, sondern auf die Zusage: „Sei der Liebe Gottes gewiss!“ (Wer sie spürt – z.B. im Sakrament der Firmung – kann in ihr enorme Kräfte entdecken und durch sie für das Leben freisetzen: zum Wegefinden und -gehen, zum Kämpfen und Durchhalten, zum Vergeben und Verzeihen, zum Befreitwerden und Freisein, sowie zu Vielem mehr. Denn aus Liebe erwächst Stärke!)


Artikel aus dem Buch: Das wird schon wieder © www.neuesbuch.de 2021. Danke an Verlag und Autor für die Abdruckgenehmigung!

Raimund Miller, Kurseelsorge

ps: hier noch eine Stärkung für die Seele