Mit anderen Augen
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 08, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 13. April 2022)!
Mit anderen Augen
…schau ich dies Frühjahr auf die Feldarbeit hierzulande: Wie gut, dass unsere Bauern die Äcker bestellen können! In der Ukraine liegen jetzt weite Flächen brach, wo die Männer an den Waffen, Frauen und Kinder auf der Flucht sind! Das erschüttert grade auch alte Leute. Sie haben jung Ähnliches erlebt. Auch, dass Krieg Hunger bedeutet. Drum waren sie später entsetzt, wenn Pausenbrot im Müll landete, altes Brot „entsorgt“ wurde.
„Was nichts kostet, ist nichts wert“
1990 hab ich Kinder von DDR-Übersiedlern Brotkugeln rumwerfen sehen, Weckle blieben einmal angebissen liegen: Empörung im Speisesaal! Der Grund: Im sozialistischen Staat war Brot das Billigste. Zusammen mit dem ideologischen Atheismus prägte dies das Bewusstsein, ähnlich wie das Warenüberangebot in unsrer westlich kapitalistischen Wegwerfgesellschaft. Doch wer je gehungert hat, kann kein Brot wegwerfen.
Der Ukrainekrieg wird u.a. Getreide rar, d.h. teuer machen, so dass armen Ländern noch mehr Hunger droht. Auch bei uns steigen die Preise weiter. Welche Konsequenzen wären dran? Man könnte durch Maßhalten und Verhaltensänderung der Politik Signale senden. Es fängt beim Bewusstsein an, z.B. Essen mit Ehrfurcht als Gabe zu sehen und zu genießen.
Danken fürs „tägliche Brot“, Inbegriff aller Lebensmittel, die wir brauchen. Neue Wertschätzung für unser Hab & Gut entwickeln. Bereit werden zu teilen… Dazu inspirieren könnte der Zusammenhang zwischen Abendmahls-/Eucharistiefeier und Alltags-Mahlzeiten, z.B. mit dem Gebet v. M. Hausmann: „Du hast das Brot erkoren & den Wein, um dich in ihnen zu gestalten. Nun fällt von dort geheimnisvoll ein Schein auf jede Mahlzeit, die wir halten.“
Nahrung für Leib und Seele macht richtig satt und Sinn erst gemeinsam wie in der Kommunion, wo Alle Anteil bekommen
Von der Natur her wär‘s kein Problem, die ist verschwenderisch, es wächst genug nach. Das Problem liegt in der ungerechten Verteilung weltweit! – Gegen die Angst, etwas von sich her-zugeben, hilft der Glaube an Jesu Lebenshingabe. Wir sollen sie nicht nur als Leiden, sondern als Saat auf Hoffnung begreifen! „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“ Beim Mahl bricht Er das Brot und teilt es aus mit dem Wort „Mein Leib, für euch gegeben“. –
Dazu eine wundersame Geschichte:
Im Nachlass des Landarztes Doktor L. fand sich unter all den Kostbarkeiten im Glasschrank ein rundlicher Gegenstand in eine leinene Serviette gehüllt, der gar nicht dahin zu passen schien. Gespannt wickelten die Kinder ihn aus – und es kam ein vertrockneter Brotlaib zum Vorschein! Warum nur hatte der Vater ihn sorgfältig aufbewahrt?
Sie fragten die hoch betagte Haushälterin. Die musste sich nicht lange besinnen. Mit Tränen in den Augen erzählte sie: Es war in den Hungerjahren nach dem 2. Weltkrieg, da hatte der Herr Doktor einmal selber sehr krank darnieder gelegen. Tag und Nacht unterwegs zu den Kranken, in Wind und Wetter bei schlechter Ernährung, unter der alles litt, war er total erschöpft zusammengebrochen. Sein Kollege sprach besorgt von dringend nötiger Ruhe und stärkender Nahrung. Aber woher die nehmen?! Da brachte unerwartet der Nachbar einen Laib Brot mit dem Wunsch, der Herr Doktor möge ihn sich schmecken lassen und hoffentlich bald wieder zu Kräften kommen! Es sei feines bekömmliches Brot, das er von Besatzungssoldaten eingetauscht habe.
Zu der Zeit war bei Lehrers der kleine Sohn ernstlich krank, und der Doktor sagte zur Haushälterin: „Geh, bring ihnen das Brot! Das Kind braucht‘s nötiger!“ – Später zeigte sich, dass die Lehrersleute es nicht behalten, sondern der Flüchtlingsfrau im Notquartier unterm Dach geschenkt hatten. – Aber auch dort wurde es nicht verzehrt. Die Frau trug‘s vielmehr zu ihrer Tochter, die mit zwei Kindern im Keller untergekommen war. – Jene indes dachte gleich an den hilfreichen Doktor, der kürzlich ihren Buben so gut behandelt hatte, ohne Bezahlung. Jetzt lag er selbst krank und schwach darnieder: welch gute Gelegenheit, ihm nun ihrerseits zu helfen! Schnurstracks ging sie mit dem Brotlaib zum Doktorhaus…
„Wir haben das Brot sofort wiedererkannt“, schloss die Haushälterin ihre Erzählung, „an dem Einwickelpapier.“ Als der Doktor das geschenkte Brot wieder in Händen hielt, war er tief bewegt und sagte: „Solang noch solche Liebe unter uns ist, die ihr letztes Stück Brot teilt, solange hab ich keine Furcht um uns alle. Wir wollen den Laib gut aufbewahren. Wenn uns einmal aller Mut verlassen will, müssen wir nur darauf schauen. Dieses Brot hat viele Menschen satt gemacht, ohne dass einer davon gegessen hat.“
Das Bedürfnis, selbst satt zu werden überboten vom Bedürfnis, andern zu helfen; der schmerzliche Verzicht über boten durch die Freiheit & Freude zu schenken: Wunderbar, nicht wahr?
Ihre Verena Engels-Reiniger