Dienstag, April 23, 2024
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Hals- und Beinbruch!

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 03, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 02. Februar 2022)!

Hals und Beinbruch!

Die Zeichnung „Blasius-Kerzen mit Salbeikranz“ wurde von einer Rehapatientin zum Blasiustag 2021 gefertigt.

“Auf die Fürsprache des Heiligen Bischofs und Märtyrers Blasius bewahre dich der Herr vor Halskrankheiten und allem Bösen. Es segne dich Gott: der + Vater und der + Sohn und der + Heilige Geist. Amen.”

Diese Segensworte – liebe Leserin, lieber Leser (hier persönlich an Sie gerichtet!) – werden uns in den Gottesdiensten an und um Blasius (03.02.) zugesprochen. Von Gott. Zwischen zwei gekreuzten Kerzen. Durch ein menschliches Gegenüber.

Gott ist also der (die) eigentlich Segnende (Kraft)! Entsprechend sind wir die Gesegneten. Und wir sollen selbst „Segen“ sein. Wir können das, wenn wir diesen Auftrag Gottes – an Abraham – auch an uns gerichtet sehen (vgl. Genesis 12,2).

Doch was bedeutet das, Segen sein?

Ein Teil der Antwort liegt im lateinischen „benedictio“. „Bene“ ist klar. Das heißt „gut“. Aber „dictio“? Dictio meint den „Stil“, der mich ausmacht. Also die „Art“, wie ich mich ausdrücke, spreche. Segen sein bedeutet demnach vom Wesen her „gut“ sein. Und weiter: Immer, wenn ich das bin, dann kann ich auch etwas Gutes sagen. Zum Beispiel meinem Gegenüber, oder auch zu mir selbst.

Das klingt für mich wie das achte Gebot (vgl. Exodus 20,16), in positiver Form: Du sollst gut über deinen / und zu deinem Nächsten sprechen. „Soll“ meint dabei „Muss, wenn kann“. Sprich: Wenn es mir möglich ist, dann ist es ein Muss aus meinem Wesen heraus gut zu sein.

Die Frage ist: Wann ist es das (nicht)? Bzw. was steht mir (oder wann stehe ich mir) dabei im Weg und hindert (hindere) mich zu tun, was ich sollte?

Ich bin doch gesegnet. Bin jemand, dem etwas Gutes zugesagt worden ist. Das zeichnet mich eigentlich aus. Nicht in dem Sinn, dass ich besser oder mehr bin als andere, dass ich mich abheben kann, oder gar über sie stellen. Denn als gesegneter Mensch bin ich gezeichnet. D.h., mir ist dadurch etwas Zusätzliches mitgegeben worden, das mich in die Pflicht nimmt.

Entsprechend existiere ich nicht nur. Vielmehr werde ich gutgeheißen, angenommen. Das bedeutet Bestärkung. Ich werde darin bestärkt, dass ich bin. Gewollt und in Ordnung. – Im Seg(n)en kommt also ein eindeutiges Ja zum Ausdruck, wird das Ja bekräftigt und geheiligt. Ein Ja, das allem, was einen Menschen ausmacht, zugesprochen wird.

Nach dem Bild, welches ich von Gott habe, versteht sich das – für ihn – von selbst. Von Mensch zu Mensch ist das jedoch oft alles andere als verständlich: Dass alles was mich ausmacht unter Gottes Segen gestellt sein soll; einschließlich des Potenzials, das in mir steckt und noch nicht (voll) ausgeschöpft wurde.

(Zu) Seg(n)en bedeutet deshalb auch Ermutigung: Für mich selbst, jedesmal wenn mir Segen zuteilwird. Sowie für mein Gegenüber, wenn es durch mich Segen erfährt. Eine Ermutigung, die lautet: Wage dich hervor, entfalte und verwirkliche dich. Das kann z.B. geschehen, wenn ich mich selber immer mehr anzunehmen lerne. Mit allem, was in mir ist.

Allerdings ist das nicht leicht. „Denn“, so schreibt es Martin Heidegger treffend an Hannah Arendt, „der Weg zum Nahen ist für uns […] der weiteste und darum schwerste“ (Gelassenheit, 23). Deshalb ziehe ich oft das Komplizierte vor, wo es doch einfach ginge. D.h., ich kümmere mich leichter um andere und deren Probleme, anstatt mich selbst und mein eigenes Sein anzunehmen. Selbstliebe und -annahme ist demnach also die größte Herausforderung: Sich selbst gutzuheißen und sich auch selbst den Segen zu gönnen, welcher meinen Mitmenschen durch mich zukommt.

Doch je mehr es mir das gelingt, desto mehr kann ich auch Segen sein für andere: Ihnen in die Augen schauen, zuzuhören, etwas Gutes sagen. Dann schaffe ich es besser, sie sowohl in ihrer Schwäche anzunehmen, als auch in ihrer Stärke zu bestärken. – Je mehr ich mich annehme, desto leichter wird es mir, meinem Gegenüber voll Fürsorge, Respekt und Verantwortung zu begegnen.

Von mir wird dadurch etwas Segensreiches ausgehen, welches den/die andere/n aufblühen lässt. Er oder sie kann dann vielleicht einfacher „ja“ zu sich sagen als davor – im Sinne von „bene dicere“ – und liebevoller mit sich selbst umgehen.

Das alles – und gewiss noch viel mehr – kann „Segen sein“ bedeuten. Dem möchte ich hier lediglich noch eins hinzufügen, einen Wechsel der Perspektive. Nämlich von uns Menschen hin zu Gott. Die Brücke zu diesem anderen Blickwinkel ist die Überschrift: „Hals- und Beinbruch.“ Von jiddisch „hatsloche un broche“, deutsch „Erfolg und Segen“.

Mit anderen Worten: im Bruch steckt Segen. Ernsthaft: Denn dieser Bruch ist kein kaputtes Bein, sondern „Broche“! Broche kommt von hebräisch „Bracha“ und bedeutet Segen, oder – und hier wechselt die Perspektive – Lobpreis! Wichtig ist zu wissen: Das Hebräische hat ein Wort, wofür wir im Deutschen zwei verwenden und so differenzieren „zwischen dem Handeln Gottes [Segen] und dem, was der Mensch Gott gegenüber zum Ausdruck bringt [Lobpreis].“ (Wikipedia)

„Jede Bracha beginnt wiederum mit den […] Worten: »Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König der Welt…«“ – ‘Jede’ meint auch all jene, welche Jesus jemals gesprochen hat; z.B. während der Speisung der 5000 (vgl. Mk 6,41). Und: „Wer eine Bracha gehört hat, beantwortet sie mit Amen.“ (Wikipedia)

Damit wären wir wieder beim Blasius-Segen angelangt, sowie bei jeder anderen Form des Segens, die wir kennen: Gott segnet uns – im Bild mit den Kerzen gesprochen – von „oben nach unten“. Und wir lobpreisen ihn dafür im Amen – von „unten nach oben“.

In diesem Sinn: „Hals- und Beinbruch!“

Wenn wir den Hals mit „Seele“ und das Bein mit „Körper“ übersetzen, dann heißt das, uns ganzheiltich zugesagt: Gottes Segen für – und unser Lobpreis mit – Körper und Seele; an Blasius und an jedem neuen Tag. Amen!

Raimund Miller, Kurseelsorger