Donnerstag, April 25, 2024
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365 x Mut statt Furcht

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 02, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 19. Januar 2022)!

365 x Mut statt Furcht

Die haben sich gewundert bei DHL: Kauft da jemand alle diese Briefmarken auf, n a c h Weihnachten! Ja, diese Marke begeistert mich. Gut, wenn die auch dieses Jahr weiter in Umlauf ist: ein echter Hingucker. Ich hab gestaunt, dass zum weihnachtlichen Bildmotiv auch das Bibelwort aufgedruckt wurde. Sinnig, genau das zum Frankieren, wörtlich: zum Freimachen zu nehmen, so dass vieltausend Briefsendungen damit kursier(t)en. Kleiner Beitrag, um Leute von Furcht zu befreien. Klar, es ist eine Wohlfahrtsmarke, die darf christlich aussehen. Trotzdem bemerkenswert und erfreulich, dass der Spruch deutlich lesbar draufsteht, gegen die Angst. I n der Angst.

„Fürchtet euch nicht! Fürchte dich nicht! kommt sage und schreibe 365 x in der Bibel vor, wörtlich oder sinngemäß. Als wär solcher Zuspruch an jedem Tag des Jahres nötig. Nur: Ist es überhaupt angebracht, den Menschen das zu sagen? Angst dient doch, wie der Schmerz, als Signal: Pass auf! Hüte dich vor… denn die Welt steckt voller Gefahren. Man kann sich z.B. eigentlich nur unter Verdrängung der Risiken in den Straßenverkehr wagen, in ein Flugzeug steigen, etc. Unser natürliches Angstempfinden möchte uns warnen, zumindest zur Vorsicht mahnen. Erich Kästner bringt’s auf den Punkt: „Wird’s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alltäglich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer – lebensgefährlich.“

Doch heute scheint die Weltlage schlimmer als je zuvor, das Leben global real bedroht. Da ist es eigentlich ungeheuerlich zu raten „Fürchtet euch nicht!“ Wir haben doch alle Ursache zur Furcht! Hat Gott keine Ahnung? Schweben die Engel auf Wolke 7 himmelweit abgehoben von unserer Wirklichkeit?! –  Psychologen sagen, in der Pandemie hätten Angststörungen noch zugenommen. Schon davor waren in Gesellschaft und Kirche vermehrt Ängste wahrnehmbar, aber oft verkappt:  Angst vor… Angst um… Angst, dass…

Spürt man dem einmal tiefer nach und analysiert es, zeigt sich: Von vielem, das uns zu schaffen macht, ist insgeheim FURCHT die Triebfeder. Hinter Sucht, Burnout, Aggression, Abschottung, Gewalttätigkeit, Verschwörungstheorien, Konsumzwang u.v.a. steckt im Grunde Furcht:
Vor Krankheit; dem Abnehmen der Kräfte. Vor wirtschaftlicher Not. Davor, enttäuscht, verletzt zu werden. Angst um das eigene Ansehen. Angst, keinem was zu bedeuten, nichts mehr wert zu sein. Angst vor dem Scheitern der Beziehung; vor Unglück; vor dem Verlust naher Menschen; vor dem eignen Sterben. Angst vor Fremden + Fremdem. Vor Fanatismus +Terror, vor Verbrechen. Angst um den Frieden. Angst wegen Klimawandel + Umweltzerstörung usw. – lauter begründete Ängste. Aber sie bestimmen unser Leben mehr, als uns lieb sein kann: Verengen den Blick. Hindern am Durchatmen. Blockieren die Kreativität, das Lachen, die Lockerheit. Hemmen das freie Denken, das Fließen der Lebensenergie. Dabei brauchen wir genau das alles am nötigsten.

Zugespitzt gesagt:
Erst die Angst macht Gefahren und Notsituationen richtig zum Problem. Deshalb 365 x der Aufruf „Fürchtet euch nicht!“ In Wahrheit haben wir eine Menge Möglichkeiten, Schwierigkeiten + Notlagen jeder Art zu meistern. Auch das zeigt die Menschheitsgeschichte. Schon Kinder sind von Natur aus konditioniert, erstaunlich viel auszuhalten. Doch vor allem gilt‘s Köpfchen zu gebrauchen. Sich über die eigene „Bubble“ hinaus informieren. Kreativ denken. Im Gespräch bleiben. Die Lage sachlich nüchtern einschätzen. Wir sind lernfähig, hinzu kommt unsre Lebenserfahrung. Außerdem gibt es allerlei Hilfsmittel, und wir müssen uns gegenseitig unterstützen. All das sind Chancen, die rufen „Nützt uns doch! –
Und dann haben wir tolle Vorbilder: „Gratuliere, Maria! Hut ab, Josef! Ihr Hirten seid Prachtkerle! Weil Ihr im entscheidenden Moment das „Fürchte dich /fürchtet euch nicht! beherzigt habt. Dabei war’s eine ungeheure Zumutung, was vom Himmel über Euch kam. Gott Lob habt Ihr das nicht, Eurer mehr als verständlichen Angst gehorchend, abgewehrt! Sonst wäre Gott nicht so wunderbar Mensch geworden, zur Welt gekommen und uns Bruder, ja, Freund geworden.“

Ja freilich, Maria + Josef, die Hirten, Johannes der Täufer und viele andere mussten erleiden, wozu die Angst um seine Macht den König Herodes und viele Gewaltherrscher trieb: Flucht nach Ägypten; Kindermord in Bethlehem; Johannes in Haft, mundtot und tot gemacht. Jesus musste erleiden, wozu Furcht und Feigheit den Hohen Rat und Pontius Pilatus brachten, aber auch Petrus und die anderen Jünger. Trotzdem brennt das Feuer weiter als Glut, in den Zeugen des Glaubens angefacht. Als Freude, manchmal sogar Begeisterung. Wärmende Zuversicht. Mut & Vertrauen. Als Kraft, es immer wieder mit Liebe zu probieren. Das alles ist im Gegenteile zur Angst wohltuend.

Liebe Leserin, lieber Leser, halten Sie es mit der Briefmarke. Ja ja, das Porto hat aufgeschlagen, zu den 80 müssen seit 1.1. 2022 noch 5 Cent dazu. Aber was soll der Geiz? Seelisch und mental können wir ein Vielfaches an Stärkung aus unseren Ressourcen schöpfen.

Verena Engels-Reiniger