Ein Regenbogen als Zeichen
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 17, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 18. August 2021)!
Bibelwissenschaftlerin gegen “Sintflut” als Unwetter-Bezeichnung:
„Schwierig und ungerechtfertigt“
Erst kam der Starkregen, dann das Hochwasser: Das Unwetter hat [nicht nur] NRW schwer getroffen und schlimme Folgen hinterlassen. Anschließend fielen Worte wie “sintflutartig”, “Arche” und “Noah”.
Eine Einordnung von Bibelwissenschaftlerin Kristell Köhler (Leiterin des Referats Katechese und lebensbegleitende Pastoral im Erzbistum Köln).
DOMRADIO.DE: Ist Ihnen gestern [d.h. am 14. Juli 2021] auch die biblische Geschichte von Noah in den Sinn gekommen, der auf seiner Arche die Sintflut überlebt hat?
Kristell Köhler: Ich bin ja selbst Bibelwissenschaftlerin – und als ich in Gummistiefeln und Arbeitsklamotten, bewaffnet mit Schippe und Eimer im Keller meines Elternhauses stand, da habe ich natürlich an die Arche Noah gedacht.
DOMRADIO.DE: Was zeigt das, dass diese Begriffe “Arche” und “Sintflut” sofort auftauchen, wenn wir uns hier mit dem Phänomen Hochwasser beschäftigen müssen?
Köhler: Also auf jeden Fall zeigt das, dass uns die biblischen Geschichten dann vielleicht doch nicht so fremd sind, wie es ja so oft heißt. Gleichzeitig stellt sich mir natürlich aber auch die Frage, was wir denn genau mit dieser Geschichte dann verbinden. Sind es die ungeheuren Wassermassen, die alles Leben ertränken? Oder erinnern wir uns auch an Noah und die Arche und den Regenbogen als Bundeszeichen, der diese ganze Erzählung beendet?
DOMRADIO.DE: Finden Sie das denn schwierig, wenn da rein sprachlich einem Unwetter quasi biblisches Ausmaß bescheinigt wird?
Köhler: Ja, das halte ich schon für schwierig und auch für ungerechtfertigt. Die biblische Erzählung von der Sintflut – da heißt es ja sogar, dass wirklich alle Lebewesen von der Erde getilgt werden. Das ist sehr drastisch und dramatisiert das eigene Erleben zusätzlich. Und für diejenigen, die jetzt nicht ganz existenziell davon bedroht waren gestern – und das waren ja auch einige Menschen, obwohl an ganz vielen Stellen das Ausmaß unglaublich schlimm war – also da baut man eine riesen Drohkulisse tatsächlich auf, indem man von dieser Geschichte erzählt.
Man darf nicht vergessen, dass es ja eine bildhafte Erzählung ist und dass man tatsächlich vielleicht die Bildelemente dann auch etwas auseinanderhalten muss von dem, was wir dann an so einem Tag sehr real und existenziell wirklich erleben.
DOMRADIO.DE: Wenn wir noch mal auf die Geschichte selbst schauen. Normalerweise kämpfen die Menschen im Herzland der Bibel, also in Nahost, ja eher gegen Hitze und Dürre. Wieso also diese Geschichten von alles überflutenden Wassermassen?
Köhler: Ja, das klingt vielleicht erst komisch, aber wie bei vielen anderen Katastrophengeschichten in der Heiligen Schrift auch, geht es eigentlich um eine Beziehungsaussage. Es geht um das unverbrüchliche Verhältnis zwischen Gott und Mensch, wie auch der Regenbogen es am Ende deutlich macht. * (siehe unten)
Die Erzählung setzt zwar ein mit der Bemerkung, dass die Menschen boshaft sind und in ihrem Herzen böse. Dann heißt es auch, dass diese Boshaftigkeit Gott in seinem Herzen wehtut. Gott agiert also ganz menschlich – anthropomorph – auf das Handeln der Menschen. Aber am Ende, und das ist das Coolste an der Geschichte, heißt es dann tatsächlich, dass Gott von sich aus sagt: Ich möchte nie mehr, dass alles Leben auf der Erde vernichtet wird.
Das ist eigentlich die Geschichte und die Idee, warum die Menschen diese Geschichte weitererzählt und am Ende aufgeschrieben haben. Weil sie sagen: Wir glauben an einen Gott, der nicht absichtlich alles Leben vernichtet. Deswegen ist es dann vielleicht auch schwierig, diese Sintflut-Geschichte so im Hinterkopf mit der negativen Aussage einzuspielen, weil es eben nicht darum geht, dass es Gottes Wille ist, dass das Leben auf der Erde vernichtet wird.
DOMRADIO.DE: Wenn wir auf unsere aktuelle Klima- und Umweltsorge schauen, lässt sich die Geschichte von Noah und seiner Arche da auch als Warnung interpretieren?
Köhler: Nicht in der Art und Weise, dass wir sagen: Das ist jetzt der Fingerzeig Gottes dafür, wie wir hier agieren. Was wir erlebt haben, ist die Folge unseres Handelns, aber nicht eines sündhaften Handelns vor Gott, sondern eines sündhaften Handelns an Gottes Schöpfung. Und es ist nicht die Strafe Gottes, sondern es ist tatsächlich die Natur, die natürlichen Ereignisse, die eine Reaktion produziert haben.
Wir gehen mit dieser Welt, mit Gottes Geschenk, tatsächlich mit dem, was uns anvertraut ist, in einer Art und Weise um, dass wir Dinge aus den Fugen geraten lassen. Das haben wir gestern und auch heute Nacht [d.h. vom 14. auf 15. Juli], wenn wir uns manche Bilder angeschaut haben, sehr, sehr furchtbar gesehen. Es sollte uns zum Umdenken bringen, wie wir mit dem umgehen, was wir an Ressourcen haben, wie leichtfertig wir auch manche Dinge aufs Spiel setzen und auch, dass wir damit am Ende uns selbst bedrohen. Denn das haben wir ja wirklich hautnah erlebt.
(Das Interview führte Michelle Olion.)
Danke an die Chefredaktion des Domradios für die Abdruckgenehmigung!
* Der Regenbogen macht deutlich: der Bund zwischen Gott und uns gilt. Immer.
Diesen Trost will ich Ihnen im Sommer mitgeben. Nicht als Vertröstung. Sondern, weil Trost empfangen und trösten zu können, uns zu Menschen macht; und wir alle trostbedürftig sind (H. Blumenberg). – Der andere Grund für meine Worte ist: „Trost lenkt den Blick nach vorne, nach oben. Er richtet auf.“ Und Trost macht Mut. Er ermutigt dazu, uns dem Schicksal zu stellen. Ihm zu sagen: »Du hast nicht das letzte Wort. Du kannst uns beugen, nicht brechen.« (M. Drobinski) – Denn Gottes Heilige Geistkraft ist mit uns und das Antlitz der Erde wird neu.
Raimund Miller, Kurseelsorger