Credo zur Chefsache erklärt
Das Große Glaubensbekenntnis feiert ein großes Jubiläum: Seit 1700 Jahren gilt es in allen Kirchen weltweit, also bei orthodoxen, katholischen und evangelischen Christen! Aber wer weiß schon davon?? Dabei ist es was wirklich Großes. Lies doch mal im Gotteslob Nr 586, im Evangelischen Gesangbuch Nr. 687 oder im Netz unter Nizänisches Glaubensbekenntnis: „Wir glauben an den einen Gott…“ etc. – aha, klingt teils markant anders als das Apostolische.
Das ist älter, kürzer und bekannter, hat aber theologisch einiges offengelassen. So kamen Debatten auf. Einerseits war klarzustellen, dass es sich immer um ein und denselben Gott handelt, auch wenn aufgrund der biblischen Zeugnisse von Vater, Sohn und Heiligem Geist geredet wird. Zum andern erhob sich brennend die Frage: Wie göttlich ist Jesus Christus eigentlich? Gott Vater untergeordnet oder ihm gleich?
Richtig Streit darum gab‘s im 3. Jahrhundert! Heute aber heißt’s ‘Soll doch jeder glauben, was er will!‘, die liberal-egal-Devise. Liebe Leserin, lieber Leser, ich glaub, die ist von gestern. Angesichts von Populismus, Radikalisierung und Spaltung unserer Gesellschaft merken wir: Woran geglaubt wird, ist nicht gleich gültig. Fürs Zusammenleben braucht‘s gemeinsame Grundüberzeugungen. Normen & Werte wie Menschenwürde. Gleichheit vor dem Gesetz. Gerechtigkeit. Freiheit zur Selbstbestimmung in Balance mit Gemeinwohl und Solidarität. Ob religiös oder rein human begründe, bleibt jedem selbst überlassen. Ebenso der Freiraum zur persönlichen Lebens-gestaltung. Aber wie vielfältig die Menschen auch sind, ein verbindlicher Rahmen ist nötig für gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Den hatte Kaiser Konstantin im Blick, als er im Jahr 325 das 1. Ökumenische Konzil in Nizäa nahe Konstantinopel zusammenrief. Er beabsichtigte, das Christentum von einer (unter vielen anderen) „erlaubten Religion“ zur Staatskirche zu machen, um das riesige, multikulturelle Römische Reich zu e i n e n. Denn nach damaliger Weltanschauung musste Religion jede/n interessieren. Der richtige Götterkult bzw. die richtige Gottesverehrung war schließlich entscheidend für Wohl oder Wehe in Zeit und Ewigkeit!
Drum machte der Kaiser das Credo zur Chefsache. Wobei die theologischen Fragen ihn, den Machtpolitiker, der sich erst auf dem Sterbebett taufen ließ, kaum interessierten. Von den 118 versammelten Bischöfen forderte er ein Bekenntnis, das Konsens stiftete und seiner Staatsräson entsprach. Also entstand das Große Credo aufgrund herrscherlicher Kirchenpolitik! Dennoch ist es ein großer Wurf. 325 wurde es im Wesentlichen formuliert, beim 2. Ökumene- Konzil 381 in Konstantinopel noch etwas ergänzt zur letztgültigen Fassung.

Damit bekennen bis heute an hohen christlichen Feiertagen Christen weltweit im Gottesdienst ihren Glauben. Und wo immer Bachs Hohe Messe in h-moll oder die Missa solemnis von Beethoven (beide evangelisch) gesungen und gehört wird, die Krönungsmesse von Mozart oder eine von Schuberts Messen (beide katholisch) bis hin zu Arvo Pärts (orthodox) Berliner Messe, da erklingt als „Credo“ in Latein das Große Glaubensbekenntnis:
Wunderbare Musik, abstrakt die Worte: so wirkt es heute auf uns. Naja, auf dem Konzil mussten sie das zeitlos Wahre zusammengefasst festhalten in den Begriffen i h r e r „Denke“. Die sind uns natürlich teilweise fremd. Trotzdem halten die Kirchen dran fest, gibt es Menschen (Nichttheologen), die sagen „Es hat was hymnisches, der erhabene Ton, die feierlichen Worte – ganz angemessen, geht es doch um das Heilige! Da spricht schon etwas zu mir, etwas von der Herrlichkeit und Majestät Gottes. Etwas von dem Wunder, dass der ewige, unfassbare Gott in Jesus ein fassbarer Mensch geworden ist.“ Fazit: Auch heute kann dieses Bekenntnis faszinieren. – Selber finde ich, dass es gegenüber dem Apostolischen Glaubensbekenntnis folgende drei Plus hat:
„…die sichtbare und die unsichtbare Welt“: Um nicht fixiert zu bleiben auf das Vordergründige, das uns oft blendet. – Dann die Begründung zur Menschwerdung Gottes: „Für uns Menschen zu unserem Heil“ – voll Liebe! Und schließlich „hat Fleisch angenommen“, Fleisch und Blut und damit alle Bedingungen unseres Erdenlebens samt Elend, Schmutz und Tränen. Samt Versagen, Schuld und Tod. Das unermesslich Göttliche in den Grenzen von Raum und Zeit ist menschlich nahbar, zugänglich geworden zur Erlösung der Welt. – Und schließlich Gott dreieinig – dreifaltig?!
Kein Problem, wenn man sich klarmacht, dass die Menschheit Gottes Offenbarung in der Geschichte nicht anders als zeitlich nacheinander erfahren konnte. Zudem gibt es etliche sozusagen natürliche „Dreifaltigkeiten“ wie „fest – flüssig – gasförmig“ oder „Same – Blüte – Frucht“ oder „Leib – Seele – Geist“: Im Kern immer dasselbe Wesen oder dieselbe Substanz, aber wir erleben es in Teilaspekten. Das kann als Gleichnis dienen. Nun wünsch ich Ihnen Lust zu weiteren Entdeckungen im Großen Credo!
Verena Engels-Reiniger
Artikel der Kurseelsorge in Ausgabe Nr. 12 von „Bad Wurzach Natürlich. Informativ“ vom 21. Juni 2025