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Santa Lucia (+ 13. Dezember)

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 23, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 07. Dezember 2024)!

…oder die Lichterkönigin

Liebe Leserin, lieber Leser,

stell Dir ein Land vor, in dem die Sonne niemals untergeht. Das ist schon ein merkwürdiger Gedanke, oder? Ein bisschen wie ein Traum – sagt Martin Widmark – aber genau so ist es im Sommer in Nordschweden. Für mich ist das nur schwer vorstellbar. Aber wer dort lebt, ist wahrscheinlich daran gewöhnt. So wie Widmark. Er ist Schwede und dort einer der bedeutensten Kinderbuchautoren.

Im Sommer ist es also mitten in der Nacht taghell, und es ist ganz schön schwierig, zu schlafen, wenn um zwei Uhr nachts vor Deinem Zimmerfenster die Vögel zwitschern – so der Autor weiter – und: Im Winter ist es genau umgekehrt. Die gefrorene Erde schläft unter einer dicken Schneedecke, und die Sonne schafft es kaum über den Horizont, ehe sie schon wieder untergeht und alles in Schwarz gehüllt wird.

Der Dezember ist der dunkelste Monat. Da ist es morgens finster und kalt, wenn Du in die Schule gehst, und nachmittags, wenn Du nach Hause kommst, ebenso. Darum sehnen sich im Winter viele Menschen nach den wunderbar hellen Sommernächten. Sie kuscheln sich unter eine warme Decke und trinken heißen Tee, lesen Bücher und schauen Filme. Und genau in dieser Zeit kommt ein besonderer Gast! Wie eine Antwort auf die Sehnsucht der Menschen – dort im Norden; und ich denke, auch bei uns.

Martin Widmark beschreibt diesen Besuch ganz wunderbar. Man kann ihn sich förmlich vorstellen: Am Morgen des 13. Dezember schleicht ein Mädchen in einem weißen Gewand in das Zimmer, in dem Du schläfst.

Auf dem Kopf trägt sie eine Krone mit brennenden Kerzen, die wunderschön strahlen. Du reibst Dir den Schlaf aus den Augen und rückst das Kissen unter Deinem Kopf zurecht. Vor sich trägt das Mädchen ein Tablett mit Kaffee, Tee und Pfefferkuchen. Das ist die Lichterkönigin mit ihren Jungfern, Wichteln und Pfefferkuchenmännern im Gefolge. Die Königin des Lichts, jetzt ist sie da, und sie singt »Kerzenglanz strömt durchs Haus, sie treibt das Dunkel aus: Santa Lucia, Santa Lucia.«

Alle Schweden lieben Lucia. Alte wie junge. Die Kinder ziehen sich weiße Kleider an und binden sich Lametta ins Haar. Die einen wollen Jungfrauen sein, andere Wichtel oder Pfefferkuchenmänner – und die meisten Mädchen natürlich Lucia. Wenn es nach den Erwachsenen geht, ist nur ein Mädchen die Lucia. Wenn die Kinder selbst entscheiden, tragen alle Mädchen und ein Teil der Jungs weiße Gewänder und eine Lichterkrone auf dem Kopf. Das sind die allerschönsten Lucia-Prozessionen! Und – resümiert der Kinderbuchautor – wenn die Lucias dann für ihre Eltern singen, garantiere ich Dir, dass (nicht nur) eine Reihe Mamas und Papas, die eine oder andere Träne verdrücken.

Lucia-Feier in Koberg in Västergötland 1848. Aquarell von Fritz von Dardel.

Als junger Mann hat Widmark in einem Krankenhaus gearbeitet, in einer Abteilung für alte Menschen. Seine Kollegen und er hatten beschlossen, den Patienten mit einer Lucia-Feier eine Freude zu machen. Was dabei passierte? – Wir zogen uns weiße Gewänder über und banden uns glitzerndes Lametta ins Haar. Wir kochten Kaffee und brachten selbst gebackene Pfefferkuchen mit. »Kerzenglanz strömt durchs Haus – sie treibt das Dunkel aus … «, sangen wir und betraten das Zimmer eines alten Mannes.

Er bekam einen Mordsschrecken, als er uns sah. – Ein wenig so, wie auf Fritz von Dardels Aquarell aus 1848 (cc aus Wikipedia). – All diese weiß gewandeten Gestalten mit Kerzen auf dem Kopf sahen nicht wie gewöhnliche Menschen aus, und dabei duftete es so verlockend nach frisch gebrühtem Kaffee.

»Bin ich im Himmel?«, fragte dementsprechend der alte Mann mit bebender Stimme, weil er uns für Engel hielt, die ihn ins Jenseits holen wollten. – Jetzt wissen wir, dass die Schweden Lucia feiern, weil sie sich nach dem Licht sehnen, das aus dem Himmel kommt. Doch weshalb ist das so?

Dem ist so, weil vor etwa 1700 Jahren eine junge Frau dieses Namens in Syrakus / Sizilien lebte. Sie war Christin, und hatte es als solche nicht leicht. D.h. Gott schützte sie, wo es ging, und rettete Lucia aus vielen gefährlichen Situationen. Doch auch sie wurde für ihren Glauben hingerichtet. Das „machte“ sie zur Santa, zur heiligen Lucia.

Warum Lucia die Lichterkönigin ist, dazu gibt es auch eine Geschichte. Sie ging damals in Kellerverliese zu gefangenen Christ:innen und brachte ihnen Essen. Um die Hände frei zu haben und so viel wie möglich tragen zu können, setzte sie sich in den dunklen Gängen einen Kranz mit Kerzen auf.

Raimund Miller, Kurseelsorge