Ostern 2020: Räumlich getrennt, verbunden im Geist.
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 07, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 01. April 2020)!
Liebe Leserin, lieber Leser,
„es tut im Herzen weh, dieses Jahr nicht Ostern feiern zu können“, so haben vor kurzem ganz verschiedene Menschen in meinem Umfeld ihre Not in Worte gefasst. Wahrscheinlich geht es vielen von Ihnen (und auch mir) genauso: Uns brennt das Herz, weil diese heilige Zeit nicht in gewohnter Weise begangen werden kann. Denn anders als bei den Emmaus-Jüngern, deren Herz brannte (Lukas 24,32), weil sie Jesus begegneten und die danach zurückkehrten, um in Gemeinschaft die Auferstehung zu feiern – müssen wir heute für uns bleiben. Allein, zu zweit, oder in der Kernfamilie.
Aber vielleicht ist genau diese Gefühlslage der Schlüssel. Der Schlüssel dafür, um diese Zeit intensiver zu begehen, als vielleicht jemals zuvor. Denn mir kam der Gedanke, ob wir nicht bereits mitten drin sind in dem, was damals geschah?! Weil uns das, was aktuell geschieht, mithineinnimmt in das was war – und umgekehrt!
Palmsonntag
Sprich: Palmsonntag wäre dieses Jahr eigentlich am 5. April, doch er war schon. Unbemerkt, nach der Fasnet, irgendwann in den Winterferien. – Palmsonntag das heißt, Jesus zieht unter Jubel auf einem Esel in Jerusalem ein. Das Ziel klar vor Augen – seinen Tod, um uns zu erlösen. Viele von uns ‚landeten‘ dagegen Ende Februar mit dem entsprechenden Verkehrsmittel an ihren Urlaubsorten. Das jeweilige Ziel ebenfalls klar – sich erholen, um wieder gestärkt in den Alltag gehen zu können. – Es sind zwei völlig verschiedene Situationen, die jedoch eines gemeinsam haben: Nämlich eine Stimmung die kippt. Damals von „Hosianna“ in „kreuzigt ihn“. Heute von Wohlgefühl in Krankheit – und schlimmstenfalls bis in den Tod.
Gründonnerstag
Was da seit Wochen schon bei uns und auf der Welt passiert, ist zum Heulen. ‘Greinen’, oder Mittelhochdeutsch ‘Grinen’ trifft es auch. Also Klagen und Weinen. Das Wort Gründonnerstag könnte so entstanden sein, aus dem Weinen der Büßenden. Wobei das eigentlich nicht passt. Denn wer büßte, war wie dürres Holz und wurde an diesem Tag wieder ‘grün’. D.h., er oder sie war exkommuniziert und schritt an diesem Tag „wahrscheinlich in weißem Kleid vielleicht mit grünem Schultertuch [wieder] zur Kommunion“ (wikipedia.org), um am letzten Abendmahl teilzuhaben, zum ersten Mal seit langem.
Wir feiern es dieses Jahr zum ersten Mal nicht wie gewohnt. – Gründonnerstag war schon. Bei mir, vom 9. April aus betrachtet, vor dreieinhalb Wochen. – Dass dem so ist und auf nicht absehbare Zeit noch bleiben wird, liegt am Corona-Virus und dient dazu, dass wir sicher sind und möglichst gesund bleiben. Ja mehr noch: Wir sind jetzt besser ‘ex communio’, aus der üblichen Form von Gemeinschaft heraus, um in Zukunft überhaupt wieder in guter und neuer Weise eine sein zu können. Denn was wäre das für ein Miteinander und was würde aus uns, wenn wir so weitermachten, als ob nichts wäre, als ob es kein Morgen gäbe?
Gottesfrage
Der Weihbischof von Chur beantwortete Anfang März die Frage wie folgt: Unsere Gesellschaft habe (angeblich!) so wenig Glauben, dass Krieg und Seuchen, oder ein Virus wie Corona, die logische Konsequenz wären. D.h. laut ihm, eine Strafe Gottes. „Statt leeren Weihwasserbecken brauche es nun Buße und Umkehr.“ (katholisch.de) Gott – und den Schweizer:innen – sei Dank, ließ der Widerspruch darauf nicht lange auf sich warten. Denn was wäre das für ein Gott, der so an uns handelte?
Jedenfalls kein barmherziger Vater, wie wir ihn aus Lukas 15,11-32 kennen. Dieser, ein Gott der Liebe, stellt uns frei, „ja zu sagen oder nein“ (s. Herr, deine Liebe), richtig zu handeln oder falsch. Er straft nicht, um uns zur Umkehr zu bewegen, sondern er schenkt uns die Freiheit, in uns zu gehen und aus eigener Einsicht selber umzukehren. So ist der Gott, für den Jesus steht und an den ich glaube: Er kommt sogar jedem/r entgegen, der/die das tut – und sagt nicht „jetzt büß erst mal und kehr dann um!“ Weil zwischen „Buße und Umkehr“ zu unterscheiden ein Widerspruch in sich ist. Buße hat nichts mit Strafe zu tun, sondern bedeutet umdenken. Zuerst im Innern, dann nach Außen hin.
Bleiben wir also – jede/r an ihrem/seinem (inneren) Ort – um zu wachen und zu beten. Wie Jesus, der zwar seine Jünger:innen nach Getsemani mitnahm (Matthäus 26,36), aber im entscheidenden Moment für sich blieb (26,39). Versuchen wir diese Unterbrechung aus- und durchzuhalten. D.h. wie er „den schweren Kelch, den bittern“ (Bonhoeffer) anzunehmen, weil unsere Lage es verlangt. Und bitten wir Gott, dass er bei uns bleibt, denn nur so kann es ein neues Morgen geben.
Karfreitag
Dass schon, aber wann, kann niemand sagen?! Denn wenngleich alle vom Virus Geheilten – Gott sei Dank! – HIER schon etwas von der Auferstehung erfahren dürfen und alle Verstorbenen DORT schon Auferstandene sind, so ist doch in weiten Teilen der Welt das vorherrschend, was dem Karfreitag seinen Namen gibt – das althochdeutsche ‘Kara’: Klage, Kummer und Trauer. Diesen ‘Dreiklang’, die damit verbundenen Schmerzen und so manche Grabesruhe werden wir ertragen müssen. Gleichsam wie Jesus die Dornenkrone. Doch während er jene ‘Corona’ alleine trug, habe ich die Hoffnung, dass wir diese ‘Gift-Krone’ gemeinsam tragen und es können. Räumlich getrennt, aber im Geist miteinander verbunden. Bis sie nicht mehr sticht.
Ostern
Feiern wir deshalb in diesem Jahr Ostern bewusst zuhause. Z.B. als Agape, als Liebesmahl, indem wir die Lebensmittel miteinander teilen, die wir haben. Lassen wir die Türen zu. Nicht aus Angst (wie in Johannes 20,19), sondern in der Gewissheit, dass Gott zu uns kommt, wo immer wir sind; damit wir Frieden finden und Freude erfahren (20,20). – In diesem Sinn: Frohe Ostern und bleiben Sie gesund!
In Verbundenheit, Ihr Raimund Miller