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Krieg und Frieden

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 07, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 29. März 2023)!

Krieg und Frieden

(Lizenz erworben bei de.123rf.com)

Liebe Leserin, lieber Leser,

ab dem 02. April ist es wieder soweit: Wir beten um Frieden. Auf dem Klosterplatz von / in Bad Wurzach. IdR am ersten Sonntag im Monat. Immer um 18:00 Uhr. 2023 unter dem Motto ‘Frieden wächst, wo man Vertrauen sät’. – Deshalb hier einige Gedanken über “Krieg und Frieden”; fundiert geschrieben, von Reinhold Mokrosch. Bereits vor sieben Jahren und trotzdem aktuell. (Den ganzen Artikel finden Sie auf Bibelwissenschaft.de) – Ins Thema einsteigen möchte ich mit der Frage, von was wir sprechen, wenn wir von “Krieg und Frieden” reden?


Neuartig

»Zwischenstaatliche Kriege sind selten geworden. Weltweit finden Kriege heute innerhalb zerfallender Staaten statt. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Militär und Zivilgesellschaft. Zivilisten bekämpfen Zivilisten. Ethnische Säuberungen sind oft das Ziel. Frauen-Vergewaltigungen und Folter sind reguläre Waffen zur Vernichtung des Gegners geworden. Außerdem beherrschen digitale Hightech-Systeme mit unbemannten Drohnen die Kriegsführung derer, die darüber verfügen. Es ist leichter geworden, Krieg zu führen; weil das Digitale die konventionelle Form ablöst. – Das Grauen dagegen bleibt.

Die „Ziele“ ähneln allerdings denen von früher: Es geht um Rohstoffreserven, globale Strategien, Weltmachtansprüche, ökonomische Interessen, moralische Kulturansprüche, weltanschauliche oder religiöse Säuberungen. – Immer spielt das Gefühl einer Überlegenheit die entscheidende Rolle. Diese neuartigen Kriege machen es fast unmöglich, von einem „gerecht(fertigt)en”, oder „rechtmäßigen” Krieg zu reden. Allenfalls könnte man von einer rechterhaltenden bzw. -wiederherstellenden, begrenzten „Militärischen Intervention” sprechen. Auch die Rede von einem „gerechten Frieden” ist problematisch. Sie stößt in zwei Drittel der Welt auf Ablehnung, weil man dort mit „gerechtem Frieden“ nur westliche Demokratie und Kapitalismus verbindet. Also das 3. Weltdrittel. – Besser ist es, von Frieden in Gerechtigkeit zu reden, weil dann die Maßstäbe der anderen zwei Drittel (z.B. das Recht auf ethnische Selbstbestimmung) mit einbezogen werden können. Wichtig zu wissen ist, dass mit „Militärischer Intervention“ höchstens ein Waffenstillstand erreicht werden kann, der dann seinerseits die Tür zum Frieden – in Form von Verhandlungen oder gar Verträgen – öffnen könnte.

Fragen

Wer aber so handeln will, sollte sich fragen -lassen: (1) Ist eine Intervention als ‚letzer Schritt‘ ethisch vertretbar? Bspw. um Menschenrechte wiederherzustellen. Wer ist befugt sie anzuordnen? Wer führt sie durch? (2) Welche Chancen haben gewaltfreie Strategien, zivile Friedensdienste und Konfiktlösungsversuche? Und: Sollten diese von militärischen Aktionen begleitet werden (um z.B. Mädchenschulen zu sichern)? Oder: (3) Sollten Regierungen auf Armee, Rüstungsproduktion, -import und -export verzichten (wie Costa Rica)? Dann könnten sie auch an Interventionen aus Humanitären Gründen nicht teilnehmen. Ist das zu verantworten? (4) Sollten stabile Staaten sich zu Militärbündnissen zusammenschließen? Braucht Europa eine Sicherheitsgemeinschaft mit einer eigenen Armee? (5) Gibt es eine christliche Position zu Krieg und Frieden heute?

Ideen aus der Geschichte

Frühchristliche Gemeinden lehnten den Waffendienst unter Berufung auf die Bergpredigt Jesu radikal ab. – Doch bereits 410, als die Hunnen Rom verwüsteten, rief Augustinus zur Verteidigung auf. Denn: Um eine geordnete Gewalt herzustellen, sei Kriegsdienst notwendig. Aber nur unter folgenden Kriterien: I. Es müsse einen gerechten Grund geben. II. Krieg müsse mit der richtigen Intention geführt werden. III. Er dürfe nur durch eine legitimierte Macht ausgerufen werden und IV.: Es müsse eine harte Notwendigkeit vorliegen. Dem fügte der Hl. Thomas im 13. Jhdt. zwei weitere Kriterien hinzu: V. Es müsse so wenig Gewalt wie möglich ausgeübt werden; und VI.: Nur wenn der Krieg zum Frieden führe, sei er gerechtfertigt. Aber er bleibe Sünde. Es gebe jedoch Situationen, in denen man sich dazu bereit erklären müsse. – Luther (15./16. Jhdt.) schloss sich dem an, erlaubte Krieg allerdings nur im Sinne der Stände-Pyramide. D.h. von oben nach unten. Wenn die Obrigkeit jedoch einen ungerechten Krieg führe, dann müsse der Untertan mit dem „Bekenntnis der Wahrheit“ passiven Widerstand und zivilen Ungehorsam leisten.

Anders Immanuel Kant. Er entfaltete unter dem Eindruck der Französischen Revolution 1795 die Ideen eines republikanischen Staatsrechts, Völkerbundes und Weltbürgerrechts. Es ging ihm um nicht weniger als den „ewigen Frieden“. Er suchte nach Bedingungen, die Krieg endgültig ausschließen. Dazu formulierte er sechs ‘negative’ und drei ‘positive’ Artikel: (Negativ) 1. Politische Geheimdiplomatie ist zu unterlassen, sie führt zu Krieg. 2. Staaten verpflichten sich, das Selbstbestimmungsrecht anderer anzuerkennen; und greifen sich nicht an! 3. Entsprechend verbietet sich jede gewaltsame Intervention in innere Angelegenheiten anderer Staaten – außer bei Bürgerkrieg. 4. Stehende Armeen sind abzuschaffen, weil sie eingesetzt werden wollen. 5. Regeln eines Kriegsvölkerrechts sind anzuerkennen, damit Gegner sich danach noch in die Augen schauen können. Und 6. Keine Schulden für einen Krieg! (Positiv) 7. Jeder Staat gibt sich eine republikanische Verfassung, um die rechtliche Gleichheit aller Bürger zu gewährleisten. 8. Gründung eines Völkerbundes – als ewiger Friedensbund. Und 9.: Ein Weltbürgerrecht ist einzurichten, damit jede/r in jedem Staat gleiche Rechte genießen kann. – Doch obwohl all das so logisch und deshalb naheliegend ist: Kants Friedensbemühungen fanden kein Gehör.«

Ora ET labora

Ich verstehe das zwar nicht, kann es aber leider nachvollziehen. Der Knackpunkt bei Kant ist: Es bräuchte dafür uns alle. D.h. alle Menschen! Sobald ein Teil nicht mitmacht, scheitert die Umsetzung des Ganzen. Sprich: Eine Welt ohne Armeen ist gut. Sperrt sich bloß ein Land dagegen, hat sich dieser Gedanke erledigt. – Was also tun? Vertrauen säen! Heute und morgen versuchen, das Motto über den Friedensgebeten umzusetzen. Weil so Frieden wachsen kann. D.h. konkret: Ora ET labora. Überkonfessionell und interreligiös. – Beten, sowie sich und andere kompetent machen. Durch: Hören auf von Krieg betroffene Menschen; Einschätzen lernen wie / ob Konflikte vergleichbar sind und zusammenhängen; Sich im Sprechen, Nachdenken und Argumentieren fitmachen; Sensibilität für Recht und Unrecht aufbauen, um Widersprüche zu überwinden; sowie Deutenlernen von Religion – um würdigen, verstehen und ggf. selbst ausüben zu können.

Raimund Miller, Kurseelsorger


Das Wort Krieg bedeutet seiner Herkunft nach: Beharrlichkeit, Rechthaberei, Anstrengung, Widerstand, Zwietracht, Streit mit Waffen, Kampf… Frieden dagegen meint: Einen Zustand der Ruhe, der Schonung und des Wohlwollens, sowie die Beilegung einer (kriegerischen) Auseinandersetzung; aber auch ein geschütztes, umzäuntes Gebiet. (www.dwds.de)