Ferien und Urlaub
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 15, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 19. Juli 2023)!
= Zeit ‘daheim’ zu sein
„Eine Woche noch, dann sind Ferien!“ Das denken zurzeit bestimmt die meisten Schüler- (und Lehrer-innen). Wenn es so weit ist, kann es mancher noch gar nicht so ganz begreifen: Endlich frei.
‘Ferien’ und ‘Urlaub’. Bei diesen zwei Worten schwingt die Hoffnung mit, vielleicht das Eintönige und Belastende des Alltags einmal hinter sich lassen zu können. Oft ist es auch der Traum von der Ferne – um Abstand zu kriegen, zu manchen Situationen, vielleicht auch Menschen.
Ferien und Urlaub. Zeiten, die wir so nennen, braucht jeder Mensch. Auf sie sollte jede*r einen Anspruch haben. Denn wir brauchen Zeiten, um uns zu erholen, um uns selbst zu begegnen und, um mit anderen auf neue Weise zusammen zu sein.
Ferien und Urlaub. Jede*r verbringt beides auf ganz persönliche Weise. Das stimmt im Hinblick auf Individualreisen. Und es stimmt nicht, nimmt man den Massentourismus in Augenschein. Außerdem lässt sich noch eines einwenden: Was machen eigentlich all jene, denen das Geld für eine Reise (ob nun individual oder pauschal) fehlt?
Ferien und Urlaub. Habe ich das gefühlt nur, wenn ich weit reise und ausgefallene Abenteuer erlebe? – Dann ist beides eine reine Geldfrage. Das muss es aber nicht sein. Und wird es nicht, sobald ich beginne mich zu fragen:
Wie gehe ich mit mir selbst um – und wie mit den anderen? Spüre ich, wo es in meinem Leben ausschließlich ums Geld geht, und nicht mehr um das Leben selbst? Bin ich noch offen für Unerwartetes, für Erlebnisse und Ereignisse, die ich nicht vorausgeplant habe? Merke ich, wie ich menschlicher werde, weil ich mich nicht mehr nur aufgrund meiner Arbeitsleistung bewerte?
Ferien und Urlaub. Sie sind beide wichtige Zeiten im Lebensrhythmus, eben weil sie das Leben in einen Rhythmus bringen. So gesehen sind beide Geschenke – auf der einen Seite. Auf der anderen haben wir sie uns jedoch auch verdient: Ferien und Urlaub.
Und sie sind eine Chance, uns selbst von einer anderen Seite kennen zu lernen. Dazu wiederum braucht es nicht das große Geld und muss es nicht weit weg gehen. Der Münchner Komiker Karl Valentin brachte es einmal so auf den Punkt: „Heute will ich mich besuchen, hoffentlich bin ich daheim.“
Ferien und Urlaub. Doch wie ‘funktioniert’ daheim sein, insbesondere in der freien Zeit? Wann fühle ich mich zuhause, dort, wo immer ich bin?
Angelehnt an Gedanken von Pater Bernhard Sirch OSB, will ich es so ausdrücken:
Daheim bin dort und dann, wo ich ≈ erwartet werde ≈ Fehler machen darf ≈ Raum zum Träumen habe ≈ meine Füße ausstrecken kann ≈ gestreichelt werde ≈ meine Gedanken äußern darf ≈ singen kann ≈ einen Platz für mich habe ≈ ungeschminkt angenommen bin ≈ Gott begegne ≈ meine Sorgen los werden kann ≈ still sein darf ≈ meine Freude teilen kann ≈ Trost finde ≈ Wurzeln schlagen und leben kann.
Ferien und Urlaub. In diesem Sinne wünsche ich schöne Ferien, einen erholsamen Urlaub und – wo immer wir beides verbringen – dass wir ‘daheim’ sein können und dürfen.
Raimund Miller, Kurseelsorge