Sonntag, April 28, 2024
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Da hilft nur noch Beten

Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 10, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 10. Mai 2023)!

Da hilft nur noch Beten

…sagen manche, wenn jemand lebensgefährlich verletzt ist. Wenn keine Medizin und keine Therapie mehr hilft, weil die Krankheit zu weit fortgeschritten, der Körper, die Seele irreparabel geschädigt ist. Wenn der Betrieb vor der Insolvenz steht und alle um ihren Arbeitsplatz bangen. Wenn Streit die Familie auseinanderdividiert und man nicht mehr miteinander reden kann. Wenn trotz angestrengtem Lernen die Noten schlecht bleiben und die Angst vor den Zeugnissen wächst. Wenn man gemobbt wird, alle/s sich gegen einen verschworen hat. Wenn…

gemeinfrei aus Pixabay

Also am Ende unserer Möglichkeiten „hilft nur noch Beten“. Stimmt das so?

Mag sein, dass auch heute noch Manche diesen Satz mit ehrlicher Hoffnung aussprechen. Doch meistens drückt er absolute Resignation aus:

Wo man nichts mehr machen kann außer Beten, ist eigentlich alles gelaufen und Beten buchstäblich „das letzte“. Vom Glauben her ist es natürlich grad andersherum: So verschieden die Leute und Lebenslagen in der Bibel auch sind, es wird gebetet. Ob’s ihnen blendend, erträglich oder mies geht, es wird gebetet. Fragen, Frust, Freude – vor Gott leeren sie den Kropf. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, siehe Psalmen: In denen findet sich alles, was das Herz bewegt. Beten ist da wie Atmen, lebensnotwendig & selbstverständlich.

Genauso bei Jesus. Als Jude betete er mit den Psalmen der Heiligen Schrift: diese Worte voller Emotion, ehrlich, kraftvoll und tröstlich. Voller ausdrucksstarker Bilder für die Seele. Lieder & Töne für sonst kaum Sagbares. Das bringt in Berührung mit dem Heiligen, ins Gespräch mit Gott.

Beten  gehört in jeder Lebenslage einfach dazu.

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Jesus macht Mut, sich mit allem an Gott zu wenden. Keine Wohltat zu klein, um nicht dafür zu danken. Kein Problem zu unbedeutend, um nicht Rat zu erbitten. Kein Konflikt zu verworren, um nicht Klärung + (Er-)Lösung zu erflehen. Keine Angst zu groß kein Leid zu schlimm, um nicht nach Linderung und Hilfe zu schreien. Ja, Gott den Sack vor die Füße werfen, das heißt Beten laut Martin Luther. Hat er (sinngemäß) von Paulus.

Beide brauchten es ständig. Ohne Beten hätten sie kaum so aufrecht durchgestanden, was sie alles mitmachen mussten: Beide sind heftig angeeckt. Haben die Obrigkeit gegen sich aufgebracht. Paulus, mehrfach inhaftiert, wurde ausgepeitscht, angeklagt, verleumdet, geriet in Lebens-gefahr. Vergleichbar Luther. Zuweilen schien alles verloren. Doch selbst in aussichtsloser Lage schrieben beide an die Gemeinden, und zwar an Freunde wie Gegner. So streitbar wie ermutigend. Und nie fehlt die Aufforderung zum Beten: „Bleibt beharrlich dran. Lasst euch den Mut nicht nehmen, betet immer wieder!“

Jedoch: Was hab ich davon, wenn ich bete? In Leid und Krankheit – in Sorge um den Arbeitsplatz – in der Zerrissenheit des Familienzwists – in der Angst vor der nächsten Klassenarbeit…

Die Probleme hören mit dem Beten nicht auf.  Was hilft es dann?  V i e l …

Wer es ernstnimmt, nimmt sein Anliegen und damit sich selbst ernst. Betend wirst du dir bewusst, dass du – und die „schwierigen anderen“ – Hilfe brauchen. Oft hilft Beten, sich im Angesicht Gottes durchsichtiger und klarer zu werden. Wieder Raum zu gewinnen und Luft zum Atmen. Auch ermöglicht die Zwiesprache mit Gott eine andere Qualität der Selbst-/Erkenntnis als das bloße Selbstgespräch.

Außerdem braucht der Mensch es, sich jemand anzuvertrauen, jemand „der’s Leben kennt, der mich versteht, der mich zu allen Zeiten kann geleiten“ (Hanns Köhler) – so eine Erleichterung!
Das Kind, das wir innerlich ein Stück weit unser Leben lang bleiben, darf sich Gott in die Arme werfen (D. Bonhoeffer) als gütigem Vater & liebevoller Mutter. Geborgen sein im Vertrauen, zumindest in der Hoffnung: „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand“ (A. Pötzsch).

All das ändert zwar an der Realität erstmal nichts. Aber es verändert mich und, wie ich mit der Situation umgehe. Mich engagieren, ggf. kämpfen muss ich nach wie vor. Aber ich gehe in Gottes Namen nicht unter.

Klar, es gibt vieles, was einen abhalten kann. Grade deshalb raten Jesus, Paulus und alle spirituellen Leiter von Format „Bleib dran am Beten, am Meditieren. Übe dich darin.“

Sie wissen, wie leicht wir uns ablenken lassen. Und mahnen daher „Sei wach! Gib auf dich acht,
wo Trägheit und Schwäche, scheinbar Dringendes oder Lustlosigkeit dich vom Beten abhalten wollen. Davon, Gottes Nähe zu suchen. Gott zu lauschen.“ Drum fängt es oft mit der Bitte an
„Gott, nimm von mir, was mich hindert zu Dir! Rühr Du mich an, öffne Du mein Herz.“ –

Dabei muss das Gebet keine feste Form oder besonderen Ort haben. Es geht jederzeit und überall. Auch ohne fromme Worte: Gott versteht „frei von der Leber weg“, was du aus deinem Herzen heraus seufzest oder sagst, flüsterst oder schreist. Gut zu wissen, nicht wahr?

Verena Engels-Reiniger