Fehlerfreundlich
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 19, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 25. September 2024)!
Fehlerfreundlich
„Seien Sie fehlerfreundlich!“ Das hat ein Dienstvorgesetzter mal uns Pfarrer:innen ans Herz gelegt. Er sprach sogar von einer Kultur der Fehlerfreundlichkeit, in der Leitung und Gestaltung des Gemeindelebens, im kollegialen Miteinander, überhaupt in jedem Lebensbereich. Ok, ist ja christlich. Aber auch herausfordernd! Fehler dürfen nicht einfach stehengelassen, schon gar nicht vertuscht werden.
Fehler machen Schwierigkeiten, nicht selten große. Es braucht gehörig Köpfchen & Herz, damit so umzugehen, dass was Gutes dabei herauskommt. Für beide Seiten. Davon hängt ganz viel ab: Im Zusammenleben als Paar und Familie. In Kirche und Gesellschaft. Im „globalen Dorf Erde“ mit all der Verschiedenheit, dem Widerstreit zwischen Menschen, Kulturen, Ländern.
Mit Fehlern konstruktiv umzugehen, den eigenen und denen anderer, ist wohl ein lebenslanges Lernen. Angefangen in der Schule, wo eben das neue Schuljahr begonnen hat. Die frisch gebackenen Erstklässler hoffen, dass sie Freunde finden. Dass der/die Klassenlehrer *in und die übrigen Lehrer nett sind und nett bleiben, auch wenn ‘s mal Probleme gibt. Nett bedeutet da ja ‘ne Menge! – Tja, sie werden ihre Erfahrungen machen. Werden miteinander auskommen müssen beim Lernen und Spielen. Am besten mit – Fehlerfreundlichkeit!
Zum Beispiel so:
In Klasse 1c trägt die Lehrerin Frau Schlau den Kindern auf, für ihren Platz ein Schild zu gestalten: „Schreibt euren Namen darauf, schön verziert, oder malt etwas, woran man Euch gut erkennen kann!“ – In den nächsten Minuten entstehen lauter bunte Schilder. Wo Na-men draufstehen, sind sie ziemlich „eigen“ geschrieben: nicht auf Linie, dafür individuell!
Dann fragt Frau Schlau: „Wer möchte seinen Namen an die Tafel schreiben?“ Mehrere Finger schnellen hoch. Ein Mädchen schreibt „FRIDA“ hin, jeden Buchstaben richtig – dickes Lob! Nun macht sich Robin ans Werk, und das gelingt so (s. Bild). Frau Schlau zögert kurz, da tönt schon „Falsch!“ aus der Klasse, „‘n Fehler!“ – „Langsam!“ sagt Frau Schlau. „Das war erstmal richtig mutig, Robin, vor den anderen deinen Namen zu schreiben: Gut gemacht!“ – „Aber der hat’s doch falsch geschrieben!“ murrt Frida, und einige Kinder zeigen kichernd auf das verkehrte „B“.
Robin guckt ganz verunsichert. – „Na, lasst uns erstmal sehen“, meint Frau Schlau, „Frida, möchtest Du Robin helfen?“ – Die ist gleich vorn und greift nach dem Tafellappen. „Dass der’s nicht selber merkt!“ kräht einer aus der dritten Reihe. Frida verkündet: „Ich mach den Fehler weg!“ Eifrig wischt sie das umgedrehte „B“ aus. – Tja, wer sich erinnert, wie „sauber“ die Tafellappen in der Schule meist waren, kann sich vorstellen, wie es nun an der Tafel aussieht! Und wie bedrückt Robin nun dasteht. Doch jetzt protestiert er „Aber Du hast es ganz verschmiert!“ – „Ja“ sagt Frau Schlau ruhig „schön ist das nimmer! Eher v e r s c h l i m m b e s s e r t…“
Jetzt guckt Frida betroffen. Die Kinder sind still. „Was machen wir nun?“ fragt Frau Schlau. Schweigen. Dann eine leise Stimme: „Da war, ähm, beim Robin sei‘m Namen, da war doch eigentlich bloß ein, ähm Dings, verkehrtrum.“ – „Aha“ nickt Frau Schlau zustimmend und schreibt das „B“ nochmal hin wie Robin zuvor: „Hm, Robin, Dein „B“ hat ’nen Purzelbaum gemacht, und dann ist es einfach andersherum stehengeblieben!“ – Mit breitem Schmun-zeln blickt sie die Kinder an. Da hellen sich die Mienen auf, man hört Lachen.
Auch Robin fängt an zu grinsen und behauptet:
„Kann man doch trotzdem sehen, dass es ein B ist!“ – „Mhm“, die Lehrerin lächelt. „Wer Purzelbäume schlagen kann wie Du, schon. Aber die Erwachsenen können das meist nicht mehr. Doch vor allem: Das B will vorwärtskommen! Genau wie das R am Anfang deines Na-mens. Drum streckt es Gesicht und Bauch nach rechts, guck, so…“ Sie schreibt ein B in die Luft. „Auf, machen wir‘s alle: B bei Robin, B bei Beate, B bei Br… Brot“ ergänzen einige. – „Du-u Frau Schlau“, meldet sich Robin wieder, „ich will meinen Namen nochmal anschrei-ben!“ – „Klar, gern! Mach es ganz in Ruhe.“ Sie legt Robin die volle Kreideschachtel hin. Dann zur Klasse gewandt: „Und wir singen unterdessen ein Lied, das geht so:
„Lass es ruhig schiefgehn, jeder fängt mal an. Lass es ruhig schiefgehn, bleib nur cool dran! Schreib das Wort in Ruhe auf, dann schau’n wir mit‘nander drauf und kriegen ’s richtig hin. So macht das Sinn!“ – Beim dritten Mal fangen die Kids zu feixen an. Frau Schlau guckt zur Tafel: Ups! Robin hat das B mitten in seinem Namen riesig gemalt, so herum wie üblich, aber mit Gesicht, Haaren und extra dickem Bauch! – Sie stimmt in das Lachen ein und ruft: „Hallo Fehler, wir fürchten euch nicht! Helft uns zu lernen und zu lachen!“ Und dann: „So, es ist Zeit für unseren Schlusskreis!“ –
Und wir, liebe Leser, können sinnieren, was da nun besprochen wird… Auf jeden Fall sollte Frida noch zu Wort kommen, finde ich. Mit Frau Schlau stehn ja die Chancen günstig, dass klar wird: Es tut allen gut, wenn wir bei Fehlern fair bleiben. Jemanden als dumm hinzustellen macht nix besser. Fehler sind dazu da, dass man draus lernt – beiderseits! Offenkundig will auch das Korrigieren, das Richtigstellen gelernt sein. Nach der Devise „Helfen & Ermutigen statt Beschämen“
Diese Geschichte ist meiner Nichte Mirjam gewidmet, einer prima Lehrerin, die das weiß & praktiziert. Ebenso meiner Freundin Evelin, der ich das Lied und noch viel mehr verdanke. Überhaupt den Eltern, den Erzieher*innen in Kita und Hort, den Lehrern, den Omis & Opas, einfach A l l e n, die mit Kindern zu tun haben: Hut ab vor ihnen! Viel Freude & Kraft!
Verena Engels-Reiniger