Es ist ein Kreuz
Gute Lektüre mit unserem Kurseelsorge-Artikel (in Ausgabe Nr. 18, der Bad Wurzacher Bürger- und Gästeinformation vom 11. September 2024)!
Es ist ein Kreuz
…liebe Leserin, lieber Leser.
„Es ist ein Kreuz“, das sagt man(n oder frau), wenn man sich mit etwas schwer tut. Wie ich z.B. mit dem Verfassen dieses Artikels, weil ich zuerst nicht wusste (über) was ich schreiben sollte. Bis mir klar wurde: „Ich schreibe über das, was bei diesem Satz naheliegt.“ – Das Kreuz. Bzw. sein Zeichen.
Viele tragen eins, sei es als Schmuck, oder aus Glauben. Andere dagegen tragen keins. Doch egal ob Träger*in oder nicht – wir alle werden von unseren je eigenen Kreuzen getragen! Denn jede*r von hat eines. Gerade, oder krumm (Hohlkreuz). Nicht oben im Rücken (wie ich bisher dachte), sondern unten. Dazu kommt: Es macht sich meist erst dann bemerkbar, wenn es schmerzt.
Aber wir haben nicht nur ein Kreuz im Körper. Wir können mit ihm auch eines bilden: indem wir aufrecht hinstehen (-sitzen), oder uns flach auf den Boden legen und die Arme nach links und rechts ausbreiten. – Apropos „ein Kreuz bilden“: Bei Wahlen sind wir jeweils gefordert uns eine politische Meinung zu bilden und ein Kreuz zu setzen. Allerdings so x und nicht so +. Und wenn wir schwierige Situationen gut überstanden haben, dann machen wir drei Kreuze. Zumindest gedanklich.
Doch was hier so leicht gesagt daherkommt, ist gar nicht so einfach getan. Ich merke das, z.B. an der Reaktion von Jugendlichen, wenn ich sie während der Vorbereitung auf die Firmung frage: „Wie macht ihr ein Kreuz?“ Weil manche von ihnen – wie selbstverständlich – die rechte Hand an die Stirn führen, von dort auf die Brust, dann an die linke Schulter und schließlich an der rechten enden; andere dagegen ins Nachdenken kommen.
Eins
Dieses Nachdenken lohnt sich, weil es alles ist, nur nicht selbstverständlich: unser Kreuzzeichen. Denn los ging mit „nur“ einem Finger! Über 700 Jahre hinweg nahmen Christinnen und Christen ausschließlich Daumen oder Zeigefinger und bezeichneten sich mit dem Kreuz. Anfangs rein auf die Stirn, dann über das ganze Gesicht – um den Glauben an den einen Gott auszudrücken.
Zwei
Seit dem 8. Jh. nahm man statt einem Finger zwei. Nämlich Zeige- und Mittelfinger – und bekreuzigte sich damit auf Stirn und Brust. Auf diese Weise sollte deutlich werden: Jesus Christus hat zwei Naturen. Er ist Gott und Mensch zugleich. Sein Kreuz so zu machen, bedeutete folglich ein Zeichen zu setzen und zu protestieren: Gegen eine Sicht von Jesus rein als Gott!
Drei
Zeitgleich entwickelte sich die Praxis, zu Mittel- und Zeigefinger noch den Daumen dazuzunehmen, sich also mit drei Fingern zu bekreuzigen. Und weil die 3 für Gott/es Dreifaltigkeit steht, hat sich diese Form im griechischen Glaubensbereich ca. ab dem 13. Jh. durchgesetzt. Verbunden mit den Worten aus Matthäus 28,20: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ – Bis heute bezeichnen sich orthodoxe Gläubige auf diese Weise: Daumen, Zeige- und Mittelfinger zur Stirn, zur Brust und von der rechten zur linken Schulter.
Fünf
Wie wir es als katholische Christinnen und Christen handhaben, wird erst später üblich: Also das Kreuz mit der ganzen Hand zu machen. D.h. alle fünf Finger sind ausgestreckt, doch „nur“ Zeigefinger, oder Zeige- plus Mittelfinger, berühren dabei Stirn, Brust und Schultern – zuerst links, dann rechts.
Außerdem haben wir Katholischen noch das „kleine“ Kreuzzeichen. Dabei zeichnen wir mit dem Daumen jeweils ein Kreuz über Stirn, Mund und Brust – und zeigen damit (direkt vor dem Sonntagsevangelium), dass wir das Wort Gottes verstehen, verkündigen und verinnerlichen wollen.
Jein
Bei evangelischen Gläubigen trifft man auf beides. Ja und Nein. D.h., eine Seite lehnt das Kreuzzeichen ab, die andere bejaht und praktiziert es. Berührend finde ich in diesem Zusammenhang, was Martin Luther in seinem Kleinen Katechismus schreibt. Als Empfehlung für jeden Tag: „Des Morgens, so du aus dem Bette fährst, sollst du dich segnen mit dem heiligen Kreuz und sagen: Das walte Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist.“
Herz
Wie mache ich also (m)ein Kreuz? Das ist eine gute Frage. Weil die Antwort darauf eine sehr persönliche ist. – Bevor Sie jetzt jedoch denken, „o weh, das ist ein Kreuz“, will ich ein „nein, das ist es nicht“ einschieben. Denn wie auch immer die Antwort ausfällt, wichtig ist, es mit ganzem Herzen zu tun. Sprich: „So oft du dich mit dem Kreuz bezeichnest, beherzige alles, was in ihm liegt“ – Erlösung, Befreiung und Gottes Güte – „erfülle deine Stirn mit großer Zuversicht“ und „mache deine Seele frei.“
Johannes von Antiochia sagt das (in seinem Kommentar zu Matthäus, Kap.54, Ab.4). Bereits vor langer Zeit. – Was er sagt, glänzt immer noch (nicht umsonst erhielt er den Beinamen „Chryso-Stomos“ = Gold-Mund) und vermag damit in uns etwas voll Wert in Gang zu setzen. In diesem Sinn:
Nehmen wir uns Zeit für das Kreuz/zeichen. Mit Weihwasser, oder ohne. Am 14.09. (für katholische Gläubige ein Festtag = Kreuzerhöhung), oder an einem anderen, persönlich wichtigen Datum. Morgens nach dem Aufstehen, mittags zum Essen, oder abends vor dem Schlafengehen… Wann genau, ist unerheblich. Hauptsache wir tun es bewusst.
Raimund Miller, Kurseelsorge