Samstag, April 19, 2025
Artikel

Die Verantwortung der Wahl

…für eine lebendige Demokratie eintreten

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bild zeigt Stift, mit dem etwas geschrieben wirdherzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Sie hatten die Wahl, diesen Artikel „zur Hand zu nehmen“, oder nicht: und haben es getan. Sie haben auch in diesem Augenblick die Wahl: nämlich weiterzulesen, oder nicht. Und es ist gut möglich, dass in diesem Moment jemand vor derselben Wahl steht, wie Sie.

Da Sie an dieser Stelle angelangt sind, haben Sie sich entschieden weiterzulesen. Ich hoffe, es ist eine gute Wahl, zumal Sie noch nicht wissen, was Sie im Folgenden erwartet. Und ich kann nicht sagen, was Sie darüber denken werden. Was ich dafür – über dieses Heft hinaus – sagen kann, ist: „Prüfen Sie alles, behalten Sie das Gute, und meiden Sie das Böse in jeder Gestalt!

Mitte des 1. Jh. hat der Apostel Paulus genau das in seinem Brief an die Gemeinde von Thessaloniki geschrieben (5,21). Er hat das gemacht, um ihr zu erklären, wie sie bei Entscheidungen abwägen soll – besonders bei Entscheidungen, in denen für die Gemeinschaft eine verantwortbare und nachvollziehbare Lösung gefunden werden musste!

Ganz anders klingt es, wenn aus dem Miteinander ein Ich-gegen-Die wird: „Ich hab’ die nicht gewählt! Ich hab’ überhaupt nicht gewählt!“ – Diese, meist wütend vorgetragene Erklärung hört man oft, wenn jemand seinen Unmut über die (Entscheidungen der) Regierenden und Verantwortlichen unseres Landes unterstreichen will. Dahinter verbirgt sich die Ansicht: die Gewählten taugen alle nichts, und man selbst sei zum Glück nicht daran schuld, weil man sich ja von Anfang an rausgehalten habe. – Wie fatal!

Wahlmöglichkeiten zu haben, ist eine Fähigkeit, die – in dem uns bekannten Maß – nur wir Menschen besitzen. Manche höheren Tiere können in begrenztem Umfang zwischen Alternativmöglichkeiten unterscheiden und wählen. Aber nur wir Menschen können unsere Optionen im Voraus durchdenken, abwägen und dann entscheiden, welche wir wählen wollen.

Zumindest noch. Denn es gibt dazu auch ganz andere Ansichten, wie jene von Donald Trump. Von ihm kundgetan am 27.07.24 auf einer „christlichen“ Wahlkampfveranstaltung in Florida:

Ich liebe Euch Christen. Ich bin ein Christ… geht raus, ihr müsst rausgehen und wählen. In vier Jahren müsst ihr nicht mehr wählen, wir werden es so gut hinbekommen, dass ihr nicht mehr wählen müsst.

Gewählt wurde Trump trotzdem, oder gerade deswegen? – Doch ist das wirklich christlich, oder überhaupt noch demokratisch? Dazu kommt: wem die Möglichkeit zu wählen verwehrt wird, verliert ein wesentliches Menschenrecht. Wer früher in der DDR gelebt hat, wird sich daran gut erinnern können. So wie Pfarrer i.R. Christoph Poldrack, von dem diese Gedanken hier stammen.

Am Sonntag, den 23. Februar haben wir wieder die Möglichkeit zu wählen: Die Mitglieder des Bundestags, und in Bad Wurzach (per Bürgerentscheid) ob wir im Ried einen Naturerlebnis- und Beobachtungsturm haben wollen, oder nicht. – Ich bin froh, dass ich wählen darf (jetzt, und hoffentlich auch in Zukunft wieder) und dadurch den Kurs der nächsten Jahre mitbestimmen kann. Ich versuche nach Kräften alles zu prüfen, das Gute zu behalten und das Böse zu meiden. Ganz paulinisch. Und ich hoffe, dass möglichst Viele es mir gleichtun.

Dass die „da oben“ sowieso machen, was sie wollen, glaube ich nicht, denn wer „da oben“ ist, bestimme ich mit. Zumindest in einer Demokratie. Selbst wenn es nicht die von mir favorisierten Personen sind, sind sie doch von einer Mehrheit der Bevölkerung in ihr Amt gewählt worden. Zur notwendigen Toleranz im Zusammenleben gehört, dass ich auch das akzeptiere. Es sei denn, es vollzieht sich das, was Bodo Wartke in seinem Lied „Es wird Zeit“ besingt: die Abschaffung der Demokratie. Ist sie erst einmal weg, dann kommt sie so leicht nicht wieder. Jedenfalls nicht ohne Opfer. Wenn Sie mögen, dann hören Sie, was der Kabarettist zu sagen hat, aber erschrecken Sie nicht!

Aus diesem Grund kann ich nicht akzeptieren: wenn Parteien/Personen mit Hassparolen, Verleumdungen oder Fake News auf Stimmenfang gehen; wenn Vorurteile gegen Menschengruppen geschürt; Minderheiten zu Sündenböcken gestempelt; oder Gläubige einer bestimmten Religion verdammt werden. Das ist zutiefst undemokratisch, unchristlich und unmenschlich. Das ist lebensgefährlich. Auch im Wahlkampf notwendige Zuspitzungen der eigenen Position rechtfertigen all das nicht. Dafür ist in unserer Gesellschaft kein Platz!

Liebe Leserin, lieber Leser, Sie entscheiden, welcher Person, Position oder Partei Sie Ihre Stimme geben. Dasselbe gilt für mich. Dementsprechend lautet mein abschließender Wunsch, dass wir uns eben nicht heraushalten, sondern dass wir für diejenigen stimmen, die sich konstruktiv und lebensbejahend für die ganze Gesellschaft einsetzen. In diesem Sinn: Wenn wir Leben und Tod vorgelegt bekommen, Segen und Fluch, dann lassen Sie uns das Leben wählen – damit wir leben. Wir und unsere Nachkommen! (Dtn 30,19)

Raimund Miller


Artikel der Kurseelsorge in Ausgabe Nr. 3 von „Bad Wurzach Natürlich. Informativ“ vom 08. Februar 2025