Wer schenken kann, ist reich
Das Gedicht unten, liebe Leserin, lieber Leser,
werden etliche von Ihnen kennen und vielleicht erstmal denken: ’Ach, heile Welt von früher, bisschen retro…‘.
So mag’s scheinen. Aber viele Reha-Gäste lieben es, z.B. zur Abendmeditation. Sprechen teils auswendig mit, sind teils tief berührt. Finde ich faszinierend:
Ein Text, der einem wohl ums Herz macht. Woher kommt‘s? – Schöne Erinnerungen werden wach, wie man als Kind in Gärten spielte, gelegentlich Früchte stibitzte… – Außerdem erzählt Theodor Fontane die Geschichte aus dem Leben des historischen Hans Georg von Ribbeck ja meisterhaft: ganz einfach, aber spannend.
Bis heute lauscht Alt und Jung ihr gern, über Generationen hin haben Kinder sie auswendig gelernt, und als Erwachsene entdecken sie dann möglicherweise, welcher Gehalt darin steckt. Geliebt jedoch wird das Gedicht, glaube ich, weil es so gut ausgeht. Etwas rundum Positives, ja, zutiefst Sinnvolles vermittelt.
Wo die Natur immer wieder bei Katastrophen, teils infolge des Klimawandels, als lebensbedrohlich erfahren wird und selbst vielfach gefährdet ist, zeigt sie sich hier wunderbar großzügig, schenkt Köstliches zum Genießen. – Wo täglich von Lug und Trug, der Profitgier vieler Mächtiger und von Gewalt zu hören ist, findet hier ein Herr Vergnügen daran zu schenken und nachhaltig dafür zu sorgen, dass der Segen weitergeht.
Gewitzt pariert er die engherzige Knauserigkeit seines Sohns mit seinem Vertrauen auf das „Stirb und werde“ des Naturkreislaufs. Da ersteht ein neuer Birnbaum aus dem Grab auf, und die Klage der Kinder kann zum Lachen der Enkel werden. Passgenau dazu das Lied „Jesus meine Zuversicht“, worin das Sterben und Begrabenwerden im Glauben an Christus einer Saat auf Hoffnung gleicht.
Übrigens ist das Gut Derer von Ribbeck, ca. 30 km westlich von Berlin gelegen und 777 Jahre alt, längst bekannt und zieht viele Besucher an. – Hier nun Fontanes berühmte Verse:
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand,
und kam die goldene Herbsteszeit, und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
Und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb‘ ‘ne Birn.«
So ging es viel‘ Jahre, bis lobesam – der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende, ’s war Herbsteszeit, wieder lachten die Birnen weit und breit.
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf aus dem Doppeldachhaus trugen von Ribbeck sie hinaus.
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht sangen »Jesus meine Zuversicht«
Doch die Kinder klagten, das Herze schwer: »He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht – ach, sie kannten den alten von Ribbeck schlecht!
Der neue freilich, der knausert und spart, hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon – und voll Misstrau‘n gegen den eigenen Sohn,
der wusste genau, was damals er tat, als um eine Birne ins Grab er bat…
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus ein Birnbaum-Sprössling sprosst‘ heraus …
Die Jahre gingen wohl auf und ab, längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab.
Und in der goldenen Herbsteszeit da leuchtet’s wieder weit und breit.
Kommt dann ein Jung‘ übern Kirchhof her, so flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so wispert’s: »Lütt Dirn, kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.“–
So spendet Segen noch immer die Hand, des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Verena Engels-Reiniger, Kurseelsorge
Artikel der Kurseelsorge in Ausgabe Nr. 18 von „Bad Wurzach Natürlich. Informativ“ vom 13. September 2025
